Tastenfieber und Liebeslust
und natürlich gespannt, wer da auf mich zukommen wird. Ich sah ihn schon von Weitem: Da stand er!
Ein Denkmal neben dem Denkmal. Die rechte Hand auf einen Schirm gestützt, Standbein, Spielbein, korrekter Haarschnitt, Brille. Herren-Popelinemantel, alles in sich stimmig, und ich dachte: Neeee, das kann er nicht sein, viel zu konservativ für mich! Er überreichte mir eine rote Rose mit Handkuss!!!
Das Gespräch war freundlich, sehr höflich, seine Kommentare wie erwartet witzig, aber er wirkte trotzdem ein bisschen wie yesterday auf mich, eben wie ein Gentleman alter Schule, und ich fühlte sein inneres Gerüst an Festgefügtheiten.
Und dann später beim Italiener – wir saßen uns gegenüber – sah er mich mit seinen wachen, blitzenden Augen so frech und herausfordernd an, dass ich zu meinem eigenen Ärgernis ganz verunsichert wurde. Ich spürte, dass ich manchmal sogar rot wurde! Mist! Und das in meinem Alter!
Bin gespannt, wie es weitergeht.
Kuss, Deine Eva
17. März – 20:01 Uhr
Geliebte Eva,
na, das klingt doch nicht schlecht! Bin auch sehr gespannt, wie es weitergehen wird! Danke für das Foto. Ich finde, dass er sehr sympathisch, sehr lebhaft aussieht.
Kuss, Deine Regina
18. März – 14:12 Uhr
Liebe Eva,
am Tag nach unserer anregenden tour d’amour im Schlosspark liege ich mit Schnupfen im Bett! Auf dem Rückweg kam ich in den Regen, und wenn ich mit nassen Haaren rumlaufe, fange ich mir immer eine Erkältung ein. Wenn ich in Ihrer Gegenwart nicht so verwirrt gewesen wäre, hätte ich den Schirm beim Italiener auch nicht vergessen, hätte mir keine nassen Haare geholt und jetzt keine Schniefnase! Also, Sie tragen die Schuld für mein momentanes Leid. Und niemand pflegt mich jetzt liebevoll!
Sollten Sie am Restaurant vorbeikommen, dann bitte ich Sie, den Regenschirm abzuholen. Ich werde mir jetzt einen Tee machen, mir einen heißen Wickel um den Hals legen und im Bett weiterschwitzen. Morgen ist sicher wieder alles vorbei.
Dass Sie nicht kochen können, hat mich tief getroffen. Aber trotzdem: Guten Appetit bei der nächsten Fertig-Suppe!
Liebe Grüße
Ihr Maximilian
PS: Es hat mich sehr angenehm berührt, dass Sie immer rot wurden, wenn ich Ihnen in die Augen sah! Sie wirkten dann wie ein ganz junges Mädchen! Sehr, sehr liebenswert!
18. März – 23:26 Uhr
Lieber Maximilian,
ich hoffe, es geht Ihnen schon wieder besser. Morgen gehe ich mal beim Italiener vorbei. Welche Farbe hat ihr Schirm? Es wird dort sicher viele liegengebliebene geben.
Übrigens werde ich nie rot! Gestern nur ein bisschen rosa und das nur deshalb, weil Sie ein Teufelchen sind!
Bei unserem Spaziergang vergaß ich zu fragen, warum Sie in Ihrem ersten Brief nicht Ihre Telefonnummer angegeben haben, alle anderen Bewerber – ich erhielt 21 Zuschriften – hatten sie notiert.
Ich sitze an einem Referat über J. S. Bach, das am Dienstag fertig sein muss. Zwar soll es nur 20 Minuten dauern, aber die müssen ja gut werden! Ein kurzes Referat über ein so langes Leben halten zu müssen, ist fast eine Zumutung. Jedenfalls für mich.
Übrigens: Bach konnte auch nicht kochen.
Gute Besserung und liebe Grüße
Eva
19. März – 17:29 Uhr
Liebe Eva
wieso sollen beim Italiener viele Schirme liegen geblieben sein? Gehen Sie denn mit allen Bewerbern, die auf das Inserat antworteten, und denen Sie den Kopf verdrehen, immer zum gleichen Italiener?
Während ich mich mit technischen Fragen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes beschäftigen muss, können Sie sich mit geistreicheren Themen auseinandersetzen. Da sieht man, wie ungerecht die Welt ist.
20 Minuten für Bach? Das reicht ja gerade für: Wo geboren, Kinder aufzählen und wo gestorben! Wann und in welchem vornehmen Etablissement werden Sie denn den Vortrag halten? Sollte auch über die ›Kunst der Fuge‹ etwas dabei sein, würde mich das Thema schon interessieren.
Der Schirm war blau mit irgendwelchen klein karierten Motiven, ich glaube Sony stand drauf. Holzgriff war zumindest bei der Übergabe noch vorhanden.
Mir geht es schon deutlich besser. Es ist schon erstaunlich: Ich will uralt werden und so’n bisschen Regen wirft mich gleich aus der Bahn.
Wo liegt genau Ihr Häuschen am Meer? Ich wollte mir die Stelle mal auf der Landkarte ansehen. Warum haben Sie kein Häuschen in Brandenburg oder Mecklenburg? Das wäre doch deutlich praktischer und auch leicht am Wochenende zu erreichen! Alle Ihre Freunde würden Sie dort
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