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Tastenfieber und Liebeslust

Titel: Tastenfieber und Liebeslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Mascha Blankenburg
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nicht völlig unsportlich, und so denke ich, dass Sie keine Chance beim Weglaufen hätten. Nur lautes Schreien würde Ihnen helfen, sich aus den Klauen eines alten Lüstlings zu befreien. Wenn wir uns nun in einem versteckten, unbekannten Park verabreden würden – denn nur dort würde ich überhaupt ein Date akzeptieren –, in dem Ihnen kein Mensch Schutz und Hilfe anbieten könnte, wären sie also verraten und verkauft.
    Ich habe mir zur Form und Methode des Kennenlernens meine Gedanken und mich auch in der einschlägigen Fachliteratur kundig gemacht. Es gibt hierzu zwei Möglichkeiten oder Theorien:
     
    Entweder (alte Theorie)
    man telefoniert ein paarmal, testet die Stimmlage, tauscht Bildchen aus, verabredet sich dann an einem unverfänglichen Ort (Park oder Kaffee), putzt sich vorher die Zähne, säubert die Fingernägel, stärkt den Hemdkragen, hält eine (noch nicht dunkelrote) Rose in der Hand, klemmt sich als verabredetes Erkennungszeichen eine FAZ oder Süddeutsche unter den Arm, beginnt dann nach dem schüchternen Druck der vor Aufregung schweißnassen Hände die zarte Kontaktaufnahme mit einigen höflichen Bemerkungen über das viel zu heiße Wetter, um nach einem Exkurs über den unerträglichen Parkplatzmangel stringent zur Gehaltsklasse, Pensionsberechtigung und zum Immobilienvermögen überzuleiten.
     
    Oder (neue Theorie)
    man mailt heftig einige Tage hin und her, wird zunehmend ungeduldiger auf die Antwort, verliebt sich dabei in den Witz, Humor, Geist und die umfassende Bildung des potenziellen Partners, wechselt sacht, kaum merkbar, das Thema von den philosophischen Gesprächsinhalten in Richtung Erotik und wird dabei so erregt, dass die Spannung unerträglich wird, man sich in unbändiger Freude, heftigster Neugier und unbeherrschbarer Leidenschaft an einem für beide höchst verfänglichen, den Ablauf des Abends eindeutig vorgebenden Ort trifft, sich voller Gier in die Arme fällt und alles Weitere willig, mit Lust und Hingabe der Natur überlässt.
     
    Die erste Theorie wird nur noch von pubertierenden jungen Männern, von jungen Damen mit intaktem Hymen und in Ländern mit einem hohen Anteil konfessionsgebundener Bürger vertreten.
    Die zweite Alternative hat auch den Vorteil, dass Damen nicht mehrere Sitzungen bis zur abschließenden Meinungsbildung benötigen, nicht wertvolle Zeit für das Unwesentliche verschwenden und sich im Falle eines Flops sofort der nächsten Anzeige im Tagesspiegel zuwenden können. Schließlich übersieht jeder im Stadium der Erregt- und Verliebtheit dickste Buckel, eklige Hautekzeme, Fettflecken auf der Krawatte oder eine Laufmasche in der Strumpfhose. Bei einer leisen Anfrage »Willst Du?« und der hingehauchten Antwort: »Ja, sofort« nimmt auch keiner mehr wahr, ob die Stimme des Gegenübers näselnd oder fipsig ist.
    Nun wissen Sie, wie die zurzeit herrschende Theorie das unwichtige Problem des Aussehens und der Sprache elegant lösen kann. Es gibt, liebe … wenige Theorien, die, wie in Alternative zwei beschrieben, in sich so schlüssig und frei von inneren Widersprüchen sind. Nun bin ich neugierig, ob Sie sich der oben vorgestellten neuen Theorie gegenüber aufgeschlossen zeigen oder lieber der alt hergebrachten, etwas verstaubten und Zeit vergeudenden Vorgehensweise zuneigen.
    Sollten Sie wissenschaftskritisch Zweifel an der Schlüssigkeit der neuen Theorie haben und vor der Akzeptanz eine eigene Versuchsreihe zur Verifizierung bzw. Falsifizierung wünschen, stehe ich Ihnen natürlich in Form einer Laborratte oder eines Meerschweinchens höchst persönlich und vollumfänglich zur Verfügung.
    Dies waren meine theoretischen Überlegungen zum Kennenlernen.
    Liebe Grüße von Ihrem etwas theoriesüchtigen
    Maximilian
     
    Evachen,
    dies war der 2. Rundbrief, mit dem ich die Bewerberinnen schockte und zur Aufgabe im Concours d’amour bewegte. Einen Kerl, der sich ums Aussehen genauso wenig schert wie um den Klang der Stimme, wollten die Damen trotz ihres drängenden Partnerinteresses dann doch nicht kennenlernen. Schließlich dachten sich wohl die meisten, wer so etwas zu Papier bringt, wird in der Wirklichkeit noch viel schlimmer sein. Aber zugeben musst Du doch, dass die Sprache schön, ergreifend und unterhaltsam war. Und nun ein Auszug aus einer Korrespondenz bis zum zweiten Tag. Erstes Mail am Tag der Anzeige:
     
    Lieber Großvater!
    Es ist mir sehr angenehm zu erfahren, dass auch Großeltern sich mit dem Computer auskennen und in der Lage sind,

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