Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
abzuwenden.
Bis Christina meine Hand nimmt. Ihre Hand ist kalt, aber ihr Griff ist kräftig. Das reicht, um mich zurückzuholen. »Ich denke, wir müssen hier raus«, sagt sie.
»Definitiv.«
Ich lege meinen Arm um ihre Schultern, während wir schnell aus dem Geschäft laufen, direkt an dem vierten Agenten vorbei, der auf dem Boden sitzt und seinen Kopf in den Händen hält. Ich schiebe Christina hinter mich und mache mich kampfbereit, doch dann merke ich: Seine Hände sind an seinem Gesicht festgeklebt. Er macht diese verzweifelten, schnüffelnden Geräusche und versucht, seine Finger wegzuziehen, und mit diesem Bemühen ist er dermaßen beschäftigt, dass er nicht einmal mitkriegt, wie wir vorbeilaufen.
Christina macht einen Zwei-Minuten-Umweg, um eine Jogginghose und ein Shirt aus der Mädchenabteilung mitgehen zu lassen und sich schnell umzuziehen, während ich auf weitere Sirenen lausche und nach Race Ausschau halte. Als wir aus dem Laden kommen, geht über dem Parkplatz gerade die Sonne auf, ein orangefarbener Ball am Horizont. Ich ziehe das Telefon meines Dads aus meiner Hosentasche und wähle die Nummer meiner Mom.
»Bitte geh ran«, flüstere ich.
»Tate«, sagt sie, als sie abnimmt, ihre Stimme klingt müde. »Ich wollte mich nicht operieren lassen, bis ich etwas von dir gehört habe.«
Ich senke den Kopf und kneife die Augen zu. »Wie geht es dir?«
»Ich werd’s überleben. Hast du George den Scanner gebracht?«
»Ja. Und …« Ich schaue zurück zu dem Laden, als ich die gedämpfte Explosion höre. Vermutlich der Rest von dem Acetonperoxid, das ich hergestellt habe. »Es könnte sein, dass ich den Walmart zerstört habe, Mom. Wir haben ziemlichen Schaden angerichtet.«
»Ich kümmere mich darum, egal was es ist.«
»Okay. Sehen wir uns bald? Wir müssen einiges besprechen.«
Sie lacht. Es klingt, als würde man zwei Maishülsen aneinanderreiben. »Kannst du ins Krankenhaus kommen? Wir sehen uns dann nach meiner OP.« Sie legt auf.
Christina stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich drehe mich um und drücke meine Stirn gegen ihre, dann öffne ich ihr die Beifahrertür. Langsam fahre ich von dem Parkplatz hinunter und frage mich, was die Walmart-Mitarbeiter wohl denken werden, wenn sie kommen, um ihr Geschäft zu öffnen.
Ich biege in die Zufahrtsstraße zwischen den Geschäften ein.
Georges Wagen steht ein paar Meter entfernt, die Vorderseite an einem Baum zerknautscht.
»O Gott«, keucht Christina.
Ich halte hinter dem Wagen an und springe hinaus, um zur Fahrerseite zu rennen. Das komplette Heck des Autos ist von großkalibrigen Kugeln durchlöchert. Ich öffne die Fahrertür.
George ist über dem Lenkrad zusammengesackt. Ich drücke mit den Fingern gegen seinen Hals.
Kein Puls.
Während ich versuche, den riesigen Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken, laufe ich um die Rückseite des Wagens herum und öffne die Beifahrertür. Georges Arm ist auf dem Beifahrersitz ausgestreckt, als würde er nach etwas greifen. Seine mit Blut bespritzte Haut erinnert mich an den Moment, als sie unter dem Licht des Scanners orange geleuchtet hat. Danach wollte ich ihn noch fragen. Er hat mir versprochen, er würde es erklären. Und jetzt wird das nicht passieren. Nur eines kann ich jetzt noch retten: die Technologie, für die er gestorben ist, für die mein Vater gestorben ist, um die so viele gekämpft haben.
Ich beuge mich hinüber und schaue unter den Sitz, auf den Rücksitz, unter Georges Beine auf dem Vordersitz. In den Kofferraum. Ins Handschuhfach. Und dann stehe ich auf und sehe Christina an, während die Welt um mich zusammenbricht.
»Der Scanner ist weg.«
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