Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
einem Regal verstaut warten. Vielleicht brauche ich die Gruppe gar nicht für mein Vorhaben. Das wäre natürlich fantastisch, denkt sie, während Hetyei ihr bei dem Rundgang durch das Kellergewölbe die restlichen Dinge wie zum Beispiel die Lagerungsbedingungen die Wichtigkeit der Lagerzeit und einiges andere mehr, erklärt. Sie nickt nur ab und an oder wirft ein Wort ein.
Eine niedrige Tür am Ende des Gewölbes fesselt ihre Aufmerksamkeit. Sie bleibt vor ihr stehen und setzt ihre Hand auf die Klinke. Lächelnd dreht sie sich zum Meister um. „Darf ich?“
Ohne die Antwort abzuwarten, drückt sie die Klinke nieder. Doch die Tür gibt nicht nach, sie ist verschlossen.
„Oh, doch Geheimnisse? Sicher befindet sich hier das Geheimlabor?“
Einen Moment zögert der Meister, dann lächelt er und antwortet leichthin: „Nur unsere Weinvorräte. Sie werden unter Verschluss gehalten.“
Ulla lacht. „Ein Glas Wein und etwas zu Kauen wäre schon schön, ich habe seit heute Morgen nichts gegessen, im Flugzeug bekomme ich nichts runter.“
„Verzeihen Sie, Essen besitzt bei uns vor besonderen Anlässen keine Priorität. Aber ich werde Ihnen in der Küche etwas richten. Wenn Sie alles gesehen haben?“
Zusammen verlassen sie das Gewölbe. Hetyei führt sie in die Küche. „Dieser Raum ist offensichtlich das Herz der Gruppe, oder täusche ich mich?“ rutscht Ulla heraus. Amüsiert betrachtet sie die in ihm befindlichen Haushaltsgegenstände: kleine Buddha-Figuren, aber auch Engel- und Herzchenanhänger, bunte Tassen auf einem Bord, Tee-Dosen mit Namensschildern, an einer Hakenleiste hängen neben weißen auch bunte Schürzen.
„Doch nicht alles in Weiß“, bemerkt sie lächelnd. Die Leinenbezüge der Kissen auf den riesigen Bänken weisen Nutzspuren auf, und den großen, langen Tisch aus Naturholz zieren viele Kratzer und dunkle Flecken. Es gibt also ein normales Leben hier. Ulla erleichtert der Gedanke.
„Ja, da haben Sie recht. Bitte setzen Sie sich“, lädt Hetyei sie ein, während er sich wie ein normaler Mann am Kühlschrank zu schaffen macht.
In der familiären Atmosphäre traut sich Ulla, ihm die Frage zu stellen, die ihr schon einige Zeit auf den Lippen brennt: „Wie sind Sie Schamane geworden?“
Gespannt wartet sie auf die Antwort. Doch Hetyei übergeht ihre Frage. War ihm die Frage zu persönlich, oder hat er sie überhört? Er kramt noch immer im Kühlschrank herum, bevor er sich resigniert umdreht. „Viel scheint im Augenblick nicht vorhanden zu sein. Anne, unsere Küchenverantwortliche, hat alles ziemlich leergeräumt. Wir halten morgen früh eine Séance ab. Zur Vorbereitung fasten wir am Vortag. Eine spezielle Tee-Zubereitung lindert unseren Hunger.“ Seine Aufmerksamkeit gilt wieder dem Kühlschrank. „Ah, hier, ich kann Ihnen etwas Ziegenkäse vorsetzen, ein Glas Wein und Brot müssten ebenfalls aufzutreiben sein.“
Er wickelt den Käse aus dem Papier und schnappt sich einen Teller vom Abtropfbord. Bevor er ihn belädt, wendet er sich nochmals an Ulla: „Entschuldigung. Ich habe ganz vergessen, Sie zu fragen. Möchten Sie sich uns morgen anschließen? Sie deuteten an, dass Sie eine Verbindung mit ihrer verstorbenen Mutter suchen. Die Séance findet im internen Kreis statt. Mitglieder unserer Gruppe und die der Gruppe Schambala.“
Plötzlich wünscht sie nichts sehnlicher, als an der Séance teilzunehmen. Durch die Kraft eines Mediums würde sie mehr über ihre Mutter erfahren. Ja, das ist es. Sie ist plötzlich aufgeregt. Fast wie unter Hypnose nickt Ulla.
„Wunderbar, dann probieren Sie mit mir unseren Fastentee?“ Er stellt zwei Tassen und eine Thermoskanne auf den Tisch. Ullas Magen knurrt zwar in diesem Moment herrisch, aber sie ignoriert seine Forderung. Ob der Tee dagegen hilft? Gierig trinkt sie den großen Becher sofort leer, und tatsächlich legt sich kurze Zeit später ihr Bedürfnis nach Essen. Das sollte sich die Gruppe patentieren lassen, ein wundervolles Schlankheitsrezept, überlegt sie.
„Sie haben mich gefragt, warum ich Schamane wurde.“
Ulla nickt.
„Mein Vater war Landarzt in Südtirol, meine Mutter stammte aus Ungarn, darum wählte ich später den Namen Hetyei. Ein gelehrter Ungar im 19. Jahrhundert. Er zeichnete in einer Erzählung vieles über den Glauben der ungarischen Schamanen auf, zum Beispiel über die Beseelung der Erde, die beiden Gotteskinder Tunar und Tuna und anderes mehr. Ich werde oft danach gefragt. Aber zu Ihrer Frage zurück. Als ich
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