Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
Erntezeit rücken wir die Tische in die Mitte, und die Frauen der Gruppe sitzen dann dort, vor sich einen Berg von frisch geernteten Heilpflanzen.“
„Das starke Kräuteraroma, das dann die Luft schwängert, betäubt einen sicher fast“, meint Ulla lachend. Sie schnuppert und denkt: Ja, ein wenig vom würzigen Geruch hängt noch im Raum, vermischt mit Staub und dem Moder des alten Gemäuers.
„Jetzt befindet sich die geballte Energie in flüssiger Form als Pflanzensud dort in den Flaschen. Mit speziellen Maschinen kann er dann auch in Tabletten umgewandelt werden. Das machen wir hier nicht, das übernimmt ein Pharmabetrieb.“
Ullas Blick folgt seiner Handbewegung. Weiter hinten an den Wänden entdeckt sie Holzregale, auf denen sich Reihen von dunkelbraunen Glasflaschen befinden, die alle wie eine Serviette um den Hals ein blütenweißes Etikett tragen. Als sie näher herantritt, fallen ihr die mit schwarzem Filzstift in wunderschönster Schülerhandschrift angebrachten Aufschriften ins Auge. Ulla klatscht begeistert in die Hände. „Mein Gott, wie in einer alten Apotheke, alles genau gelistet.“
Sie wandert von einem Regal zum anderen und äußert anerkennend: „Eine tolle Sammlung. Wurden alle Basispflanzen hier gezogen und angebaut?“
„Nein, nicht ausschließlich, wir beziehen auch Setzlinge und Samen aus anderen Gebieten. Tut mir leid, dass ich Ihnen in dieser Jahreszeit nur das fertige Produkt präsentieren kann. Sie sollten in zwei Monaten wiederkommen“, antwortet der Meister.
„Mmhm, ja.“ Ulla studiert noch immer aufmerksam die Aufschriften. „Mit dem Inhalt mancher Flaschen können Sie ganze Legionen umbringen“, rutscht ihr heraus.
Hetyei grinst. „Sicher, darum ist ja alles unter Verschluss.“
Ulla entdeckt in einer Ecke mehrere Gasherde und an der Wand darüber viele Töpfe. „Eine richtige Hexenküche, also?“ kontert sie ebenfalls scherzend. Doch sein Gesicht ist wieder ernst geworden. Schade, denkt Ulla.
Er beginnt zu dozieren wie ein Schulmeister: „Wir achten streng auf die schonende Behandlung unter kosmischen Bedingungen, dann ist natürlich für das Gelingen die exakte Bestimmung der Siedezeit wichtig und vieles andere mehr“, um sich dann zu besinnen: „Entschuldigung, aber davon verstehen Sie ebenso viel wie wir. In Ihrem Buch haben Sie sehr genaue Hinweise zur Pflanzenernte und Verarbeitung gegeben. Haben Sie nicht Angst, dass dieses gesammelte Wissen in falsche Hände gelangt?“
Ulla errötet, erneut fühlt sie sich zurechtgewiesen. „Ich bin mit diesem heiklen Problem sehr wohl vertraut und habe aus diesem Grund auch sicherheitshalber einen Rechtsexperten hinzugezogen. Er riet mir, einige Rezepturen nicht zu veröffentlichen. Ich habe seinen Rat beherzigt, um keinen Ärger zu bekommen.“ Was denkt dieser Mensch von mir, dass ich leichtfertig mit meinen Veröffentlichungen umgehe? denkt sie verschnupft. „Die Heilkräuter und Extrakte, die ich in meinem Buch aufgenommen habe, sind nur bedingt gefährlich. Bei genauerer Prüfung werden Sie dies feststellen“, fügt sie schnippisch hinzu.
„Nun, vielleicht verraten Sie uns irgendwann die Rezepturen der Heilpflanzen, die nicht im Buch enthalten sind.“ Seine Stimme klingt gepresst und verrät einen angespannten Unterton, obgleich er bei seinen Worten verbindlich lächelt.
Blitzschnell überschlägt Ulla die Möglichkeiten, die sich aus dieser Reaktion ergeben: Ist die Gruppe etwa an den nicht veröffentlichten Rezepturen interessiert? Das wäre eine Verhandlungsbasis. Wenn ja, sollte sie ihr Pulver nicht zu früh verschießen, sondern einen geeigneten Zeitpunkt abwarten. Sie beschließt, später auf dem Kongress die Interessenlage vorsichtig zu sondieren, und wechselt jetzt das Thema. „Wie viele Leute beschäftigen Sie in der Erntezeit zusätzlich?“ fragt sie betont unverfänglich.
„Zu den sieben Frauen arbeiten wir meist noch mit drei Frauen aus dem Ort, außerdem helfen uns zwei Männer bei der Feldarbeit. Sie wissen ja, die Pflanzen müssen unter bestimmten Bedingungen geerntet werden. Manche Kräuter bei Vollmond, andere kurz nach Sonnenaufgang, andere kurz vor der Dämmerung.“
Ulla nickt. Sie lächelt, wenn sie sich nicht täuscht, dann gestaltet sich der Gewinnungsprozess einfacher, als sie dachte. Sie betrachtet interessiert die großen Destillierbehälter, die Bunsenbrenner und die sonstigen an ein normales Labor erinnernden Gegenstände, die in dieser Ruhezeit sorgfältig gewaschen in
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