Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
Nässe, mmhm, ich genieße das ...“, schwärmt Rebekka leise.
„Ich liebe dich“, murmelt Gwen und wundert sich, dass ihr dieser Satz so einfach über die Lippen kommt.
Nach einer Weile steht Rebekka auf, Gwen schaut ihr beim Anziehen zu. Rebekka hebt die Binden auf, die am Boden liegen, nimmt sie hoch, geht mit ihnen ins Bad. Sie hört, wie sie den Deckel des Abfalleimers betätigt. Als sie wieder ins Zimmer kommt, setzt sie sich auf das Bett, reicht Gwen ein Glas Wasser. „Warum? Willst du darüber sprechen?
Gwen trinkt einen Schluck, und mit dem Wasser meint sie auch den Albtraum hinunterzuspülen. Sie lacht auf. Nie mehr wirst du das Recht bekommen, nach mir zu greifen, denkt sie. „Mein Vater“, beginnt sie noch stockend. „Mein Vater, er liebte mich sehr.“ Rebekka schaut sie an, streichelt ihren Arm, fragt leise: „Zu sehr?“
„Ja, zu sehr. Aber nur als ich klein war. Dann, in der Pubertät, wuchsen meine Brüste, und einmal“, es fällt ihr schwer, weiterzusprechen, die Bilder überfallen sie, „beobachtete er mich im Spiegel, im Badezimmer, ich wusste es. Und dann ...“
Rebekka sagte ruhig: „Und dann? Dann schaute er weg.“
„Ja, woher weißt du? Er schaute nicht nur weg, sondern bevor er wegschaute, wurde sein Blick verächtlich. Danach war ich für ihn gestorben. Nur er leider nicht für mich. Seine Stimme verfolgte mich. Immer und immer. Sie quälte mich mit den Worten: ‚Gwendoline, mein kleiner Schatz, bleib so, ich liebe dich.‘“ Und ich wickelte meine Brüste mit Binden an meinen Leib. Manchmal bekam ich kaum Luft, und manchmal verletzte ich mich, einmal bin ich fast verblutet, wollte sterben ... Weil, weil ich niemanden lieben konnte, am wenigsten mich selbst.“
„Und du fingst an zu funktionieren, als sachlicher Gegenstand. Ach Gwen. Ich liebe dich schon so lange. Schon von dem Tag an, als ich das erste Mal bei einer OP, die du geleitet hast, assistierten durfte.“ Rebekka umarmt Gwen. Als sie sich löst, sieht Gwen Tränen in Rebekkas Augen.
Kapitel 31
Als Julia eine Minute später die Saaltür öffnet, verlässt Hetyei gerade das Rednerpult und setzt sich. Anscheinend ist sie ein wenig spät dran. Julia klemmt sich in eine der hinteren Reihen. Sie bemüht sich, nicht weiter aufzufallen. Als sie lautstark mit dem Fuß gegen einen der Stühle stößt, hört sie ein „Psst, psst“.
Margo betritt die Bühne, stellt eine Schale auf das Pult vor sich hin und wartet lächelnd, bis der Applaus sich legt. Auf die Leinwand hinter ihr wird ein Bild geworfen. Es zeigt eine schöne, junge Frau, deren schwarze, lockige Haare das etwas erschrocken dreinblickende Gesicht umrahmen. Mit der einen Hand schüttet sie aus einem kunstvoll verzierten Glaskelch etwas in die Schale vor sich, die andere Hand greift an die fast bis zu Brust reichende, rote Kette.
„Medea war als kundige Giftmischerin bekannt. Hier“, Margos Finger zeigt auf das Dia im Hintergrund, „dargestellt auf einem Gemälde von Frederik Sandys aus dem 19. Jahrhundert. Die schöne Tochter des Königs Aietes in Kolchis wusste sehr gut mit ihren Zauberkräutern umzugehen. Eine der wichtigsten Zutaten für ihren Zaubertrank war das Kraut Ephemeron, auch Kolchikon genannt. Linné übertrug den Namen auf die tödlich giftige Herbstzeitlose, indem er ihr den Namen Colchicum autumnalis gab.“ Margo schüttet, Medea gleich, eine Flüssigkeit in die Schale vor ihr, ein kleiner Nebel entsteht.
Julia kann nicht genau sehen, ob die Flüssigkeit farbig oder durchsichtig ist. „Ah“, hört sie einige rufen. Ein Mann, zwei Sitze neben ihr, raunt seiner Nachbarin zu: „Margo und ihre Effekthascherei, warum hat sie das nötig? Sie ist doch Persönlichkeit genug. Dieser Popanz schadet uns nur.“ Julia muss grinsen. Auf jeden Fall fesselt Margo ihre Zuhörer, auch eine Kunst.
„Medea zerstückelte Aison. Nicht um ihn zu töten. Nein, sie kochte die Glieder mit Zauberkräutern auf, setzte sie wieder zusammen, und es gelang ihr, ihm damit die Jugend zurückgeben.“ Nach einer winzigen Pause fügt sie augenzwinkernd hinzu: „Leider sind wir noch nicht soweit.“ Die Zuhörer lachen.
Margos Finger weist erneut auf das Fotografierte Gemälde.
„Beachten Sie, dass neben der Kröte eine Tollkirsche zu erkennen ist. Atropa bella donna. Im Mittelalter ein Moly, das neben Alraune und Schlafmohn als Wundermittel galt. Tropfen aus Belladonna werden heute in geringer Konzentration von Augenärzten zur Pupillenerweiterung
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