Tatort Mosel
Es wäre schade, wenn wir nachher eure Haare finden würden.«
»Aber Gabi, hier sind in den letzten drei Wochen jede Menge Leute vorbeigelaufen, da kommt es doch nicht darauf an, ob …«
»Und ob«, fiel sie Grabbe ins Wort. »Aber wo du schon einmal da bist, sorge bitte dafür, dass hier keiner mehr durchkommt.« Mit ausladender Geste zog sich Gabi Handschuhe an und streifte die Kapuze über ihre Haare.
Die beiden Techniker besahen sich eingehend den Wagen von allen Seiten und pinselten dann an den Türgriffen herum.
»Hast du die Schlüssel?«, fragte Gabi.
Walde verneinte.
»Ist ja toll!«, schimpfte sie. »Grabbe, ruf den Abschleppwagen!«
Auf der Straße blieb es weiterhin ruhig. Walde beobachtete die Häuser. Hier und da wurde eine Gardine zur Seite geschoben.
Ein älterer Mann öffnete das Fenster im Parterre des gegenüberliegenden Hauses und fragte: »Ist was passiert?«
»Die Bombendrohung war bestimmt nur Quatsch«, gab Gabi zur Antwort.
Kaum hatte sie Walde zugezwinkert, war das Fenster wieder zu und der Rolladen wurde herunter gelassen.
Walde schlenderte an den Häusern entlang. Hin und wieder inspizierte er ein Klingelschild. An der ersten Einmündung las er den Straßennamen: Kronprinzenstraße. Er erinnerte sich an die Notiz von Frau Räumer. Sie hatte ihm die Namen der Leute aufgeschrieben, mit denen ihr Mann häufig zu tun hatte. Auch Name und Adresse der Freundin. Und das war hier in der Kronprinzenstraße gewesen. Die Hausnummer wußte er nicht mehr. Er hatte lediglich mit der Frau telefoniert. Sie hatte ihm nicht weiterhelfen können. Walde kehrte zum Jaguar zurück. Die Techniker waren bereits so weit, dass der Wagen zur weiteren Untersuchung ins Präsidium gebracht werden konnte.
*
Walde lugte im Keller in den Schießstand. Es war niemand da. Er hatte seit dem Morgen nichts gegessen, nichts getrunken und nicht mal eine Pinkelpause eingelegt. Er ging zurück in den grauen Gang und nahm den Koffer aus dem Spind mit der Nr. 343. Das waren auch die ersten Zahlen seines Telefonpins und seiner Telebanking- und Scheckkarte. Auf der Innenseite der Metalltür klebte ein Poster von Frank Zappa auf dem Klo. Seines Wissens nach war das der erste Mann mit heruntergelassenen Hosen, der einen Spind im Präsidium zierte.
Das Mundstück zwischen den Lippen anfeuchtend, baute Walde das Saxophon zusammen.
Er lauschte den ersten Tönen des Instruments, die nur hier, in der Weite des Schießstands des Präsidiums, so klangen.
Es hatte einen zweiten, weit wichtigeren Grund, warum er diesen Ort gewählt hatte. Der Raum war im Gegensatz zu seiner Wohnung praktisch schalldicht. Er hatte vor drei Monaten mit dem Saxophonspielen begonnen. Dementsprechend hörten sich die hohen Töne schrill an. Die tiefen Töne brachte er ab dem D überhaupt nicht heraus.
Was hatten sie im Moment für ein Team? Grabbe war vollkommen verunsichert, Gabis unüberlegter Aktionismus war nicht dazu angelegt, Ruhe in die Arbeit zu bringen. Mit Harrys Rückkehr war so bald nicht zu rechnen. Und wenn Walde mit Sonja zu tun hatte, rutschte sein Verstand … das Saxophon quietschte. Seine Oberlippe begann zu flattern und er musste Schluss machen.
Eine Viertelstunde später wurde in Waldes Büro eine Lagebesprechung abgehalten, bei der es in erster Linie darum ging, die ersten Ermittlungen abzusprechen und die weiteren Aufgaben zu verteilen. Es begann mit dem Heranrollen von diversen Bürostühlen. Neben Gabi, Grabbe, Monika und Walde war Meier vom Dezernat für Vermögensdelikte zu der Runde gestoßen. Er war ein altgedienter Haudegen, der schon mehrmals ihr Team verstärkt hatte. Niemand im Präsidium hatte ihn in den letzten dreißig Jahren auch nur einmal lachen hören.
Sonja, die vorerst kommissarisch Gabis Posten bei der Sitte übernommen hatte, betrat den Raum. Sie war ebenfalls zur Mordkommission abkommandiert worden. Als sie ihn grüßte, zupfte Walde instinktiv an seinem Pullover. Was streifte seine Hand? Verdammt, er hatte noch den Tragegurt des Saxophons um den Hals. Sie schmunzelte, als er ihn verlegen über den Kopf zog und in eine Schublade steckte.
Es lag reichlich Arbeit vor ihnen. Räumer hatte viele Kontakte gepflegt. Walde hatte für jeden eine Kopie der Namensliste gemacht, die er von Räumers Witwe erhalten hatte. Jetzt teilten sie die Besuche auf, mit denen noch heute begonnen werden sollte. Monika, die mit der Presse alle Hände voll zu tun hatte, übernahm zusammen mit Sonja die Stellung vor
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