Tatort Mosel
Walde.
»Die Woche über ist hier um diese Zeit die Hölle los, aber am frühen Samstagabend sind die alle daheim.«
»Wer sind die?«
»Freiburg, die steigen in dieser Saison ab.«
»Nein, ich meine die, die die Woche über um diese Zeit hier sind.«
»Da müssen Sie am Montag kommen und selbst gucken.« Theo stellte über die Fernbedienung den Fernseher leise, wo jetzt Werbung flimmerte. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Bleiben Sie ruhig sitzen.« Walde zeigte ihm seine Dienstmarke. »Es geht um Herrn Räumer.«
Theo nickte: »Das kam im Radio.«
»Herr Räumer war vor etwa drei Wochen, am Freitag, 22. März, mit den Aktivkreis- Leuten hier.«
Theo nickte wieder.
»Ist Ihnen etwas an dem Abend aufgefallen?«
»Nee, war alles wie immer.«
»Wie war es denn immer?«
»Saufen, dummes Gelaber, Witze …«
»Und sonst?«
»Nix.« Theo schaute wieder zum Fernseher, wo der nächste Spielbericht lief. »Den Hansel haben sie geärgert.«
»Welchen Hansel?«
Der Wirt überhörte Waldes Frage. Eine Szene im Fernseher zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich.
Walde wartete, bevor er die Frage wiederholte.
»Die haben den Geschäftsführer verarscht«, bemüßigte sich Theo zu antworten.
»Wer?«
»Der Räumer, der Kurz, der Fellrich, mehr waren nicht mehr da.«
Walde machte sich Notizen. »Kurz, der Anzeigenchef der Zeitung?«
»Prokurist, so viel Zeit muss sein.«
Walde malte hinter den Namen von Fellrich, dem stadtbekannten Bauunternehmer und Großinvestor, ein stilisiertes Häuschen und fragte: »War sonst noch jemand vom Aktivkreis da?«
»Der Haupenberg und der Hirschner.«
Hinter Haupenbergs Namen malte Walde ein Paragraphenzeichen und hinter den von Hirschner eine Flasche.
»Das war so gegen ein Uhr. Ich hab dann abgeschlossen, weil die anderen mitgegangen sind. Der Geschäftsführer war schon eine halbe Stunde vorher abgezischt.«
»Abgezischt?«
»Ja, der war beleidigt, hat noch nicht mal Tschüs gesagt.«
Walde feuerte den Schuss ins Blaue ab: »Und wer war noch sauer?«
»Der Haupenberg, der war richtig sauer. Da gab es sogar eine Brüllerei, bevor der gegangen ist.« Theo bemerkte zu spät, dass er Walde auf den Leim gegangen war.
Der setzte nach: »Haben Sie mitgekriegt, worum es bei der Auseinandersetzung mit Haupenberg ging?«
»Da muss ich passen. Was die Leut an der Theke erzählen, ist bei mir gut aufgehoben. Da schweige ich wie ein Grab. Und damit ich diesen Vorsatz auch einhalten kann, höre ich meistens gar nicht hin, was da gelabert wird.«
Walde ließ nicht locker: »Und in diesem speziellen Fall, bei der Runde des Aktivkreises’?«
Theo senkte die Stimme: »Wissen Sie, da, wo ich herkomme, heißt es: Pack verschlägt sich, Pack verträgt sich.«
»Sie haben selbst gesagt, dass der Geschäftsführer verarscht wurde. Um diesen Schluss zu ziehen, müssen Sie ja zugehört haben.«
»Der Ströbele ist ein Neffe von Haupenberg. Hat, glaube ich, während des Studiums bei ihm in der Kanzlei gearbeitet. Läuft ja alles über Beziehungen in dem Verein.« Der Wirt schaltete den Ton am Fernseher, wo Werbung flimmerte, leiser. »Zuerst dachte ich, der Ströbele haut dem Räumer eine auf sein freches Maul.«
»Warum?«, fragte Walde.
»Der Räumer hat behauptet, der neue Geschäftsführer wäre an den Eiern gepierct.«
»Und?«
»Was weiß ich? Ich hab' nicht nachgeguckt.«
*
»Die Hermes-Bürgschaft ist bewilligt.« Wenn es um fünfzig Millionen Euro ging, überbrachte Niko Haupenberg gerne selbst die Nachricht, auch wenn es an einem Samstagabend war und die ersten Gäste bereits zu seinem Burgfest eingetroffen waren. »Ich hab’s gerade aus dem Ministerium erfahren und wollte dir gleich die frohe Kunde überbringen.« Niko Haupenberg, heute Abend Ritter Nikolaus von Haupenberg, fand langsam zu einer dem Abend angemessenen Sprache, zog sich eine Perücke aus dunkelbraunem wallenden Haar über und betrachtete sich im Spiegel. Perfekt – nur das Telefon passte nicht ins Bild.
Er hörte höflich zu, was sein Gesprächspartner zu sagen hatte.
»Du kommst doch noch, Walter? Wir rechnen fest mit dir.« Er legte auf. Nikolaus Haupenberg bekleidete heute Abend die Rolle des Kurfürsten und Gastgebers in einer extra dafür gemieteten Burg hoch über dem Moseltal. Mit diesem Telefonat war sein ziviler Beruf als Wirtschaftsberater für diesen Tag beendet. Er betrachtete sich noch einmal in dem großen Wandspiegel. Vampir wäre er auch gerne geworden. Aber vor dem Spiegel stand
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