Tatort Mosel
den Kopf wäre er wahrscheinlich auch gestorben, aber die Todesursache ist Ertrinken.«
»Ertrunken?« Gabi stieg aus. »Du sagtest doch, es war keine Wasserleiche«, wandte sie sich an Stadler.
Der stieg ebenfalls aus.
»Also die Merkmale einer Wasserleiche waren eindeutig nicht vorhanden. Da wären zum einen«, er setzte wieder seine Uniformmütze auf, »ein aufgetriebener Körper, Verfärbungen der Haut …«
»Okay, dann ist er ertränkt und danach erschlagen worden oder umgekehrt, hat aber nicht lange über die Zeit hinaus, die man zum Sterben braucht, im Wasser gelegen.« Gabi schloss den Wagen ab. »Und was jetzt?«
*
Walde machte sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Er wollte endlich den Pullover loswerden und etwas essen. Nur die an dieser Stelle sechsspurige Uferstraße trennte ihn von der Merianstraße, in der seine Wohnung lag.
Auf dem Weg dorthin ging er wieder unter der Brücke hindurch und den Teerweg zum Zurlaubener Kneipenviertel hoch. Die Gaststätte Muselfesch würde erst gegen neunzehn Uhr öffnen. Das las Walde in dem Aushang mit der Getränkekarte neben der Tür. Als er an der Fußgängerampel wartete, klingelte sein Telefon.
»Grabbe hier«, er klang so enthusiastisch, als würde er Walde die frohe Botschaft eines Lottogewinns überbringen: »Räumers Auto wurde gefunden.«
»Wo?«
»Im Gartenfeld.« Die Verbindung war schlecht, Walde presste den Hörer ans Ohr. Ein Sattelschlepper rauschte vorbei.
»Wann?«
Grabbe zögerte ein wenig: »Schon vor einer Woche, aber die Sache ist auf dem Weg zu uns irgendwo hängen geblieben.«
Walde hatte den Eindruck, auch im Telefon Motorgeräusche zu vernehmen. »Wo bist du?«
»Unterwegs zu dir, du willst dir die Sache doch bestimmt ansehen.«
Es stellte sich heraus, dass Grabbe schon in der Lindenstraße war, und eine Minute später saß Walde neben ihm im Wagen, den Bauch immer noch außen frei und innen hohl.
Auf der Abbiegespur zur Brücke gab es einen Rückstau. Sie quälten sich links an den Wagen vorbei, die sich zu spät eingeordnet hatten.
»Der Erkennungsdienst wird auch gleich zwei Leute los schicken«, Grabbe hatte immer noch den eifrigen Ton von vorhin. »Sie waren auf dem Weg zur Gerichtsmedizin, um Räumers Kleidung abzuholen.« Bei den letzten Worten ließ seine Stimme deutlich an Lautstärke und Festigkeit nach.
Bis zur Römerbrücke schwiegen sie, dann hob Grabbe zaghaft an: »Ich weiß, dafür gibt es keine Entschuldigung. Du kannst mir glauben, ich mache mir die meisten Gedanken darüber, wie ich diesen Bockmist bauen konnte.« Er wendete den Blick von der Straße seinem Beifahrer zu. Walde schaute stur geradeaus.
»Also die Fahrt mit dem Polizeiboot … du weißt ja, ich vertrage so was, so ein Geschüttel, leider überhaupt nicht. Weißt du noch, wie du mich mal auf deinem Rad mitgenommen hast?«
»Da warst du besoffen«, brummelte Walde.
»Ja das stimmt, aber mir war gestern mindestens so schlecht wie damals.«
Sie fuhren die Südallee hoch. Die Ampel am Stadtbad war rot.
»Als ich den Zustand der Leiche gesehen habe, dachte ich, das muss der Typ von der Römerbrücke sein. Der Räumer ist ja noch nicht so lange vermisst, der kann noch nicht so …«, er suchte nach dem passenden Wort »… verwest sein. Das war der erste Fehler, die weiteren ergaben sich daraus fast zwangsläufig«, er schüttelte den Kopf. »Ich kann verstehen, wenn du mich nicht mehr …«
»Grün!«
Grabbe fuhr in die Unterführung zwischen Präsidium und Kaiserthermen. An der nächsten Ampel musste er wieder halten. »Ich kann wirklich selbst nicht fassen, dass ich mich davor gedrückt habe, die Taschen von dem Kerl zu durchsuchen. Vielleicht bin ich doch nicht …«
»Grün!«
*
Die Wohnstraße mit den Häusern aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert war am Samstagnachmittag menschenleer. Räumers Jaguar stand inmitten einer langen Reihe am Bordstein geparkter Pkws. Grabbe hielt ein Stück weiter in der Einfahrt zu einer Garage. Die beiden waren auf dem Weg zu Räumers Wagen, als sie durch quietschende Bremsen aufgeschreckt wurden.
Gabis Wagen kam neben dem Jaguar zum Halten. Sie schaltete die Warnblinkanlage ein und ließ das Auto in der zweiten Reihe stehen. Stadler war ebenfalls ausgestiegen. Hinter ihnen bremste ein Ford Kombi, aus dem zwei Leuten stiegen. Sie waren gekleidet, als suchten sie kontaminiertes Gelände auf.
Gabi trug ebenfalls wie Stadler noch den Papieroverall.
»So, ich muss euch beide bitten, Abstand zu halten.
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