Tatort Oktoberfest (German Edition)
Flasche, setzt sie an den Mund und lässt sich das kühle, prickelnde Quellwasser durch die Kehle rinnen.
Mit neuer Energie versehen kehrt sie in den Saal zurück. „Wenn etwas leer ist, sofort nachlegen“, bittet sie ihren Chefkellner.
„Klar, Chefin.“
Ihre Sorge erweist sich als völlig unnötig. Das Personal meistert die Sache souverän. Sie atmet auf und lächelt. Als eine Platte vorbeigetragen wird, winkt sie den Kellner zu sich und greift sich ein Schälchen mit Trüffel-Linguine vom Tablett. Ja, denkt sie, als sie einen Bissen in den Mund steckt, der Geschmack ist überirdisch. Da soll der Wurstmax mal dagegen halten.
„Mein Gottchen, Sie sind aber ein ganz Süßer, Ludwig.“ Mit diesen Worten segelt ein beleibter Mann auf Ludwig zu. Unsicher schaut Ludwig sich um. Meint der ihn? Zum Glück kommt Nadine zurück, offensichtlich hat sie seinen stummen Hilfeschrei gehört. Sie zieht ihn mit sich. „Das Feuerwerk beginnt gleich. Komm, wir gehen in den Garten.“ Und zu dem Mann gewandt: „Tut mir leid, ich muss Ihnen meinen Ludwig entführen.“
Der Pianist streichelt sacht die Tasten. Der Titanic-Song schmalzt durch den Raum. Claudia nickt unmerklich. Die Deckenfluter verblassen nach und nach wie die Sonne, die schon vor einer Weile im See versunken ist. Im Raum flackern nur noch ein paar Kerzen im Luftzug. Die Flügeltüren öffnen sich. Die Kellner und Kellnerinnen marschieren wie in der beliebten Fernsehserie „Traumschiff“ erneut mit Tabletts auf den erhobenen Händen ein. Dieses Mal werfen Wunderkerzen ein Sternenmeer durch die rosige Luft. Ein Stakkato vor den Fenstern, einer Maschinengewehrsalve gleich, löst das leise Knistern im Raum ab und übertönt die Musik. Rote, grüne und goldene Raketen explodieren und entfalten sich über dem See am Himmel. Mit „Ah, wie schön!“ und „Oh, überirdisch!“ stürmen die Gäste auf die Veranda. Claudia schmunzelt. Der Überraschungseffekt scheint gelungen. In den nächsten Minuten wird niemand sie vermissen. Sie schlüpft in eines der Nebenzimmer und greift zum Handy. „Hallo Luigi, ich bin überglücklich. Alles hat gut geklappt. Du weißt, was du morgen zu tun hast, ich zähle auf deine Hilfe. Achte auf jedes Detail. Es ist wichtig. Ich muss alles genau wissen, es hängt viel für mich davon ab. Ruf mich an, egal wie spät es ist.“
Nadine und Ludwig haben sich in den Garten verdrückt, als das Feuerwerk begann. „Hier, ich habe dir was zu essen mitgebracht, soll karamellisierte Gänseleber sein, schmeckt lecker. Ich hab gesehen, du bist gar nicht zum Büfett.“ Nadine hält Ludwig eine Serviette mit drei Häppchen hin, und er nimmt eines. „Mhm ja“, brummelt er nach einer Weile, „ist essbar.“
Nadine gluckst vor sich hin. „Was machst du denn die nächsten Tage? Sehen wir uns noch bis zum Beginn des Oktoberfestes? Julia meint, ihr wollt noch Schloss Linderhof besichtigen.“
Ludwig nickt mit vollem Mund. Gerade steigt wieder eine Rakete auf und entfaltet sich am Himmel zu einem Goldregen in grün, gelb und rot, um dann in Form einer Leuchtrose hinunter in den See zu gleiten. Aus dem Saal heraus überfällt sie eine geradezu bombastische Musik. „Wagner“, kommentiert Nadine mit vollem Mund. Ludwig reckt stolz die Nase. In diesem Moment scheint ihm Ludwig II. verteufelt nah. Ein tolles Gefühl, so abgehoben. Sie betrachten noch eine Weile stumm das Feuerwerk. Zum Glück zieht es keinen der anderen Gäste so weit in den Garten hinaus. Als Nadine ihn auffordert: „Lass uns verschwinden. Wir haben unsere Pflicht getan“, nickt er trotz allem erleichtert. Mit einem Mal fühlt er sich zerschlagen, ähnlich wie nach einer langen Schulwanderung.
Nach der kurzen Bootsfahrt hinüber zum Hotel sind sie schnell beim Auto, und wenig später kurvt Nadine die Straße am See entlang. Die alten Bäume an ihrem Rand scheinen manchmal bedrohlich nah zu kommen. Es stört ihn nicht. Er genießt die Fahrt und lehnt sich zurück. Als sie ihn in Großhadern absetzt und er aussteigen will, hält sie ihn am Ärmel zurück: „Wenn du magst, begleite uns morgen Abend. Der andere Wirte-Aspirant gibt einen großen Empfang in der neuen BMW-Welt. Klasse Autos. Und es gibt viel zu essen. Wurst, Leberkäs, Schweinsbraten – bayerische Kost halt. Aber dann ohne Verkleidung, weder als Ludwig noch als Rapper. Hast du auch normale Jeans ohne Hängepopo? Baggy Pants sind nicht angesagt.“ Ludwig nickt. „Na gut, dann hole ich dich morgen Abend um halb
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