Tatort Oktoberfest (German Edition)
heute Abend noch einen angemessenen Anzug, etwas in Richtung Tracht, Loden oder Leinen, ein gutes Tuch auf jeden Fall. Könnten Sie mir eine Auswahl mit den passenden Hemden und Krawatten vorbeischicken? Möglichst sofort? Geld spielt keine Rolle. Danke.“
Während Ochshammer die Treppe zum Lager hinuntergeht, fühlt er einmal mehr, wie sehr ihm seine Gisela fehlt. Sie hätte ihm sagen können, welcher Anzug heute Abend passt und welcher nicht. Nicht um alles in der Welt würde er diesen jungen Schnösel fragen, der nichts anderes als diese schwarzen Anzüge trägt, die ihn unsäglicherweise an Trauerfeiern erinnern. Insbesondere an die seiner Frau vor zwei Jahren. Die Meierin, seine Haushälterin, die treue Seele, die könnte er eventuell bitten. Aber bevor er nach Hause fährt, wird er noch die Wurstwaren prüfen, ehe sie rausgehen. Denn was die Qualität angeht, da kennt er tatsächlich kein Pardon. Nicht, dass seine Leute denken, die Brüder von der Unternehmensberatung hätten bereits vollständig das Ruder übernommen. Unruhe stiften sie schon genug. Es ist gut, dass alle sehen, wer hier der Chef ist.
Als er in den Hof tritt, atmet er auf. Er braucht frische Luft, zu lange hält er es im Büro einfach nicht aus. „Wir? Wir lassen uns die Wurst nicht vom Brot nehmen“, hatte Gisela immer gescherzt, wenn früher manchmal die Leute etwas beklommen dreinschauten, weil er ihnen zu derb kam. Ja, seine Gisela, die war schon eine Pfundsfrau gewesen. Ob er die Huber heute zum Empfang mitnehmen sollte, die Buchhalterin? Ach Unsinn, die kommen ja eh alle. Als reicher Junggeselle ist er außerdem besser im Spiel. Ein spitzbübisches Grinsen umspielt seine schmalen Lippen, und er fährt sich mit der Hand über das immerhin noch volle Haupthaar.
„Sono di Flavio. Ciao Luigi. Schön, deine Stimme zu hören. Come stai? Was macht die Familie, tutti bene?… Non c’è male? So lala, ah, verstehe. Sag, verfügst du über telepathische Fähigkeiten? Gerade wollte ich dich anrufen. Arbeitest du noch für die Brauerei? Ja? Obwohl du inzwischen Lottomillionär bist?“ Der Commissario lacht, als er die Antwort hört. Seine freie Hand streicht über den glattgeschliffenen Granitstein der Brüstung, an der er steht. Sein Blick streift die Besucher, die sich unten in der Halle wie ein Pulk immer wieder um einen legendären weißen BMW-Rennwagen scharen und wieder auflösen. Wie eine Diva, angestrahlt und auf einem Podest, präsentiert sich das außergewöhnliche Fahrzeug den Betrachtern. Ein junger Bursche wedelt mit einem Lederlappen wie ein Liebhaber um diese Diva herum, gewillt, jede frevelhafte Berührung sofort wegzustreicheln. Sie gehört ihm, wenigstens für den Augenblick, ihm und seinem Ledertuch. „Bei einer Million würdest du im mare azzurro fischen gehen? Capito.“
Auf der gegenüberliegenden Empore, die mit dem Werk verbunden ist und normalerweise zur Auslieferung der Neufahrzeuge dient, werden gerade Neuwagen hereingefahren und auf in den Boden eingelassenen Drehbühnen postiert. Während er das Schauspiel betrachtet, hört er Luigi klagen. „Immer muss ich im September und Oktober die Stellung halten. Ich würde was darum geben, einmal, wenigstens einmal, im September und Oktober nach Kalabrien reisen zu können. In dieser Zeit ist es einfach am schönsten dort. Das Meer türkisblau und warm und nicht mehr so viele Touristen …“
Di Flavio seufzt: „Da geht es dir wie mir. Mein Urlaub wurde auch gestrichen, und ich hätte auch gern mal wieder Heimatluft geschnuppert.“
„Vielleicht sollte ich einen Antrag stellen, dass sie das Oktoberfest mal auf den August verlegen?“ scherzt Luigi.
„Sì, das Oktoberfest. Der Grund, aus dem ich hier bin.“
„Du bist in München? Das ist ja wundervoll, dann können wir uns treffen, denn … Warum hast du das nicht gleich gesagt? Sicher brauchst du Platzkarten für ein Festzelt, oder?“
„Nein, ich möchte dich lieber ohne den Wiesn-Rummel treffen.“
„Verstehe, du bist dienstlich in München und brauchst Informationen. Wenn ich dir helfen kann, gerne. Sag mir, was du wissen willst, dann höre ich mich um. Aber der Grund, aus dem ich dich anrufe … Weißt du … Ich brauche deine Hilfe, ich bin da in eine Sache hineingeraten, die … Aber, wo du jetzt hier bist, ist es besser, wir sprechen darüber nicht am Telefon.“
„Deine Frau? Dein Sohn? Hast du mal wieder eine Frau verführt?“
„Nein, etwas anderes, ich bin sicher … Schön, dass du in
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