Tatort Oktoberfest (German Edition)
hier waren sie besser. Er musste die Augen schließen, denn er wurde von den Blitzlichtern geblendet, aber sie war ganz dicht neben ihm, und dann war sie wieder weg, diese Claudia, und Nadine lästerte: „Aber hallo, sind wir noch auf dieser Welt oder schon abgehoben? Ich geh mir mal was zum Essen holen, kommst du mit? Und dann sollen wir locker überall rumgehen. Wenn sie uns fotografieren, mach nicht so ein dümmliches Gesicht, lächle!“
Im nächsten Moment rauschte auch Nadine durch den Raum und ließ ihn stehen. Tatsächlich heftete sich ein Fotograf an ihre Fersen, und sie stellte sich in Positur wie vorher Claudia. Doch, sie ist schon süß, die Nadine, aber sie hatte ihm auf der Herfahrt deutlich klargemacht, dass ihr Verhältnis nur platonisch sein kann – wie bei dem Kini und der Sisi eben. „Ich habe schon den Patrick, weißt du, aber ich mag dich“, behauptete sie dabei schelmisch. Aber vielleicht kann er ja die Claudia …? Die ist sowieso die schärfere Braut. Er muss sich nur vorsehen und wenig reden. Ob ihre braunen Haare bis zum Po reichen, wenn sie nicht so geflochten sind? Und ja, eigentlich mag er braune Augen auch noch lieber als blaue. Und dann ihre Arme. Und sie ist so klein und so lebhaft und gleichzeitig so tough. Einfach Klasse. Entgegen Nadines Weisungen bleibt er an der Tür stehen und beobachtet Claudia. Sie wandelt von einem zum anderen, umarmt diesen und jenen, wechselt ein paar Worte, flattert fast wie ein Schmetterling von einer Blüte zur anderen. Zwischendurch erteilt sie ihrem Chefkellner Weisungen. Er versucht zu lauschen. Ein eifersüchtiger Stich durchfährt ihn. Sie wird doch nicht mit dem? Nein. Vertraulichkeiten sind nicht festzustellen. Sie lächelt bei allen gleich verbindlich. Nur einmal verzieht sie das Gesicht, so als würde sie sagen: oh Gott. Aber das wahrscheinlich nur, weil diese ältliche Tussi sie mit ihrem Gelaber belagert. Er wäre dazu nicht geschaffen.
„Meine Liebe, alles ist perfekt, ganz grandios, es ist auch einfach so erfrischend, in einem kleinen Kreis zu feiern. Die Gäste ebenso erlesen wie das Essen und das Ambiente – Sie sind eine Zauberin“, flötet Gräfin von Weyenfels, und Claudia verschenkt ihr schönstes Lächeln. „Sie sehen fantastisch aus, Frau von Weyenfels. Bei Gelegenheit müssen Sie mir Ihr Rezept verraten.“
„Claudia, nächste Woche bekomme ich Besuch aus Mallorca. Meine Freunde bringen eine liebe Freundin mit, und stellen Sie sich vor, sie ist zwar aus Mailand, aber mit einem Kalabresen verheiratet. Wir sind beim Sepp in der VIP, wenn wir es einrichten können, an dem Tag, an dem Sie dort das Zepter schwingen, dann stelle ich Sie Ihnen vor. Es ist sicher schön für Sie, jemanden aus der alten Heimat Ihres Vaters zu treffen.“
Claudia grinst innerlich, lässt sich äußerlich aber nichts anmerken, sondern sagt: „Ganz wundervolle Idee, Frau von Weyenfels, ich würde mich sehr freuen. Sie entschuldigen mich einen Moment, der Service verlangt nach mir.“
Sie eilt davon und flüchtet für einen Moment in die Küche. Dort prustet sie los. „Manchmal ist es einfach nicht zum Aushalten“, sagt sie zu ihrer Kaltmamsell, die sie zweifelnd anschaut. „Gib mir mal eine Zigarette, ich brauch das jetzt.“
„Aber Claudia, du rauchst doch nicht mehr …“ Trotz der gegenteiligen Worte steckt sie ihr eine Zigarette zu.
Claudia geht damit auf den kleinen Raustritt und fragt den dort stehenden Mann, der ebenfalls eine kurze Pause macht: „Haben Sie Feuer für mich?“
„Sicher, Chefin.“
Sie inhaliert hastig den Rauch, pafft ein, zwei Züge vor sich hin, um ihr aufgekratztes Inneres zu beruhigen. Ihre Hände zittern noch immer. Als sie husten muss, drückt sie die Zigarette schnell wieder aus und atmet stattdessen zwei-, dreimal ruhig ein und aus. „Wie läuft’s bei Ihnen hier?“ fragt sie, ruhig geworden, den Mann, der weiter an der Zigarette zieht.
„Sehr gut, Chefin, ich geh dann mal wieder, wir brauchen noch Mineralwasser.“ Er steigt die Stufen hinunter zum Vorratsraum, lädt sich zwei von den Kisten, die davor stehen, auf und trägt sie hinein. Beim Vorbeigehen schimmern die rosafarbenen Flaschen in den Trägern. Sie nimmt sich eine heraus. Nachdenklich betrachtet sie die Rosen auf dem Etikett und streicht mit dem Finger über den Aufdruck „Grüße von der Roseninsel“. Nein, denkt sie, ich habe nichts dem Zufall überlassen, und das soll so bleiben. Sie wendet sich zurück zur Küche, öffnet dort die
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