Tatort Oktoberfest (German Edition)
sieben ab. Ich bekomme sicher noch eine Karte von meinem Freund. Hast dich gut geschlagen heute. Bin stolz auf dich.“ Sie drückt ihm ein Küsschen auf die Wange. Ludwig errötet und windet sich schnell aus dem Auto.
Donnerstag – noch zwei Tage bis zur Wiesn
„Die Zeitungen überschlagen sich. Alle berichten über das gestrige Ereignis auf der Roseninsel. ‚Eine exquisite Performance und eine Hommage an Sisi und Ludwig II.‘, heißt es hier. Die Fotos füllen drei Seiten. ‚Die Créme de la créme war zugegen‘, schreibt ein anderes Blatt.“ Ochshammers tiefe Stimme klingt besorgt.
„Keine Angst, Herr Ochshammer, unser Event wird in den Medien ebenso begeistert gefeiert werden, und schauen Sie hier: ‚Mineralwasser, das durch rote Beeren zum Partydrink aufgemotzt wird und Rosenblüten im Champagner, in rosafarbenen Rosenkelchen serviert. Dekadenter Luxus für die oberen Zehntausend?‘ schreibt der Hinterbärenbader Bote. Da kommen wir doch ganz anders rüber, mit unserer Symbiose zwischen rassigen Autos und deftigen Wurstschmankerln in Verbindung mit einem gepflegten Bier. Noch kein Wiesn-Bier, aber eine hochprozentige Sonderschöpfung der Brauerei, die sicher Furore machen wird. Schade, dass es noch keine Punkte gibt, dann hätten wir bereits vor Beginn die Nase vorn.“ Der Mann, Anfang dreißig, eher klein, agil, dunkelhaarig, im schwarzen Anzug und weißem Hemd, hämmert auf seinen Laptop ein, tritt dann einen Schritt zurück und zeigt auf die Kurvenstatistik, die auf dem Screen zu sehen ist. „Hier, schauen Sie. Wenn das nicht überzeugend ist. Claudia Fioretti konnte nicht punkten.“
„Ach, lassen Sie mich mit Ihren Tabellen in Ruhe, Kopitzki, die sind doch alle nur geschwindelt, man weiß doch, wie sie manipuliert werden. Bei mir zählen nur tatsächliche Zahlen. Aber in einem gebe ich Ihnen recht. Zum Oktoberfest passen nun mal Bier und Wurst besser als Trüffelschnickschnack.“ Seine Blicke gleiten aus dem Fenster auf den Hof seiner Fabrik. Die ersten Lieferfahrzeuge trudeln gerade ein. Ein Großteil seiner Flotte ist für das Ereignis reserviert, schließlich soll bei dem Fest nur das Beste frisch aufgetischt werden.
Sein neuester Truck von MAN steht vor der Ladezone. Laut Prospekt ein Multitalent für die Stadt und den Verteilerverkehr. Truck of the year und in diesem Fall ein Zwölftonner. Stolz betrachtet er den glänzenden Lack. „KARL“ steht auf einem Schild hinter der Frontscheibe. Karl Hinterhofer, einer seiner besten Fahrer seit etlichen Jahren, schwingt sich vom Bock herunter, tritt zur Rampe, um mit der Buchhaltungschefin zu verhandeln, die mit einigen Papieren anscheinend auf ihn wartet.
Der Anblick der gelben Backsteinbauten aus den fünfziger Jahren, die schon Giselas Vater gehörten, bringt Ochshammer zum Grübeln. Warum hat er sich bloß auf den Wettbewerb eingelassen? Die Beweggründe scheinen sich wie die frühen morgendlichen Herbstnebel heute im Sonnenlicht verflüchtigt zu haben. Veranstaltet er das Ganze nur, um posthum Giselas Wunsch zu erfüllen? Sie träumte stets davon, auf dem Oktoberfest vertreten zu sein. Bewirbt er sich aus diesem Grund um den Posten als Wiesn-Wirt?
Sein Blick wandert zurück in den Raum. Kopitzki hockt versunken über seinem PC, in Ochshammers Augen seinem Machtinstrument. Ochshammer flucht leise. „Warum muss ich mich mit diesen Kopitzkis abgeben, um die ich bisher immer einen großen Bogen gemacht habe? In ganz München fressens meine Wurst und mein Fleisch und im Umkreis auch, und ich hab’s nötig, mich mit diesen Unternehmensberatungstypen abzugeben?“
Sie verbessern alles soweit, bis es aalglatt ist, so glitschig, dass der Betrieb auf dieser Glätte ausrutscht und von einem anderen geschluckt wird, hört er sich bei der Versammlung der Fleischerinnung sagen. Bitternis steigt in ihm auf, weil das Ganze gegen sein Bauchgefühl geht. Aber, was bleibt ihm? Er kann sich dem Fortschritt und der Globalisierung nicht verschließen. Wohl oder übel muss er seinem neuen Wirtschaftsprüfer, Rottler, Glauben schenken, damit es ihm nicht so geht wie dem Cousin seiner Frau in Regensburg, der fast Insolvenz anmelden musste. Die Aussichten sind weniger rosig geworden, seit die Ökowelle rollt.
„Wir sollten Ihre PR-Strategie überdenken, es heißt, frühzeitig zu planen. Nicht erst, wenn der Konkurs winkt. Bedenken Sie, dass wir Regensburg nur durch umfangreiche Modernisierungen retten konnten. Dieses Feld heißt es auch bei Ihnen zu
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