Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
gewachsenen Farbigen aus armen Verhältnissen beschrieb, dann standen die Chancen gut, dass es sich in Wahrheit um einen steinreichen weißen Zwerg handelte.
»Wie ihr alle wisst«, begann die Dezernatsleiterin, »hat es einen weiteren Einbruch unserer Schoko-Scherzkekse gegeben, und wieder ist eine Familie betroffen, die sich zum Zeitpunkt des Einbruchs im Urlaub befand. Gibt es irgendwelche Spuren, Nils?«
»Im Gegensatz zu dem anderen Einbruch derselben Art haben wir zumindest ein paar Reifenspuren im Husebyskogen gesichert sowie verschiedene Fußabdrücke in der weichen Erde, die wahrscheinlich von den Tätern stammen. Das Vielversprechendste in dieser Hinsicht ist ein Fetzen Jeansstoff, den wir am Maschendrahtzaun hinter dem Haus sichergestellt haben. Vermutlich ist einer der Täter mit seiner Hose am Zaun hängen geblieben.«
»Wie sieht’s mit DNA -Spuren aus?«
»Wird gerade untersucht. Hoffen wir mal, dass sich ein paar Hautpartikel an dem Stoff befinden«, antwortete Ohlsen.
»Und, Kjell, schon eine Idee, wer für solche Einbrüche infrage kommt?«, fragte die Dezernatsleiterin der Ordnung halber.
»Wenn wir uns in das Wesen eines Verbrechers hineinversetzen«, dozierte der Polizeipsychologe, »dann müssen wie uns vor Augen führen, dass wir es möglicherweise mit einem Menschen zu tun haben, der in seiner Entwicklung gestört und dessen Seele auf die eine oder andere Art deformiert wurde.«
Ohlsen fragte sich, was wohl Nygaards Entwicklung gestört haben mochte.
»Wir dürfen also auch sein Verhalten nicht nach normalen Kriterien beurteilen. Wenn der Einbrecher am Tatort Schokolade oder Pralinen zurücklässt, dann tut er dies nicht, weil er sich über seine Opfer lustig machen will.«
»Nicht?«, fragte Nina, die schon gespannt auf die Fortsetzung war.
Nygaard lächelte überlegen. »Aber nein! Er tut es, weil er sich in seiner verqueren Weltsicht einbildet, seinen Opfern wirklich etwas Gutes zu tun und sie in gewisser Weise für das entstandene Unrecht zu entschädigen.«
»Und warum sollte er seinen Opfern etwas Gutes tun wollen?«, fragte Nina weiter.
»Um sich selbst zu entlasten. Denn tief in seinem Innern hat der Einbrecher sehr wohl ein Gefühl für das Unrecht, das er begeht. Und die Entlastung seiner selbst ist dann am wirkungsvollsten, wenn er seinem Opfer etwas gönnt, das ihm selbst stets versagt wurde.«
»Was soll das schon wieder bedeuten?«, fragte die Dezernatsleiterin skeptisch.
»Das bedeutet, dass der Täter sich gewissermaßen mit seinem Opfer identifiziert und ihm das schenkt, wonach er sich selbst sehnt beziehungsweise in seiner Kindheit gesehnt hat«, erklärte Nygaard. »Wenn er die Opfer seiner Einbrüche mit Schokolade versorgt, deutet dies darauf hin, dass er in seiner Kindheit unter einem Mangel gelitten hat. Kurz gesagt: Ich tippe auf ein Waisenkind.«
Liv Eriksen verschluckte sich an ihrem Kaffee und bekam einen Hustenanfall. Nina musste sich beherrschen, um nicht lauthals loszulachen. Ohlsen, der selten einen größeren Schwachsinn gehört hatte, fragte sich, was eigentlich das Gegenteil von einem Waisenkind war. Magnus Gustavsen schrieb wie immer alles fleißig mit. Nur Bjarne Madsen nickte ernst vor sich hin, als hielte er dies für eine plausible Theorie.
»Danke, vielen Dank für deine Einschätzung«, krächzte Liv Eriksen, die sich die Luftröhre verbrüht hatte. »Das fügt unseren Ermittlungen in jedem Fall … eine ganz neue Facette hinzu.«
Nygaard bedankte sich mit einer kleinen Verbeugung.
»Wie steht es um den Raubüberfall auf den pakistanischen Lebensmittelladen?«, fragte die Dezernatsleiterin.
»Wir haben eine brauchbare Täterbeschreibung«, antwortete Ohlsen, »trotz der Clownmasken, die zur Tarnung benutzt wurden. Außerdem gibt es ein Handyfoto, das die Täter von hinten zeigt, allerdings aus ziemlich großer Entfernung.«
»Gib es Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund?«
»Eher nicht«, antwortete Ohlsen. »Für diese Theorie spricht einzig und allein die Tatsache, dass der Inhaber Pakistaner ist. Es hat in letzter Zeit auch vergleichbare Überfälle auf norwegische Läden gegeben. Von daher glaube ich nicht …«
»Das ist doch wieder typisch«, fiel ihm Bjarne ins Wort.
»Was soll das heißen?« Ohlsen war sofort auf hundertachtzig.
»Es ist typisch, dass ein fremdenfeindlicher Hintergrund von vornherein ausgeschlossen wird. Dabei zeigen alle Statistiken eine deutliche Zunahme rechtsradikaler Gewalttaten. Aber
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