Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
aufgelegt, diesem Fremden in ihrer Wohnung die Hand zu schütteln. Leif zog die Hand wieder zurück und fuhr sich mit verlegenem Lachen durch seine spärliche Haarpracht.
Franziska kam sich vor wie im falschen Film. Was meinte der Typ mit »endlich«? Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das setzte diesem denkwürdigen Tag wirklich die Krone auf. Was niemals hätte passieren dürfen, war eingetreten. Ihre Mutter hatte sich diesen Kerl angelacht, einen Blödmann und Angeber, das erkannte sie auf den ersten Blick.
Kapitel 11
»Dieser Schwachkopf hat mir auf Facebook seine Freundschaft angeboten«, empörte sich Franziska.
»Mir auch«, sagte Lukas. »Was hast du gemacht?«
»Abgelehnt! Und du?«
»Ignoriert.«
Seit Tagen war alles anders. Davon abgesehen, dass sowieso nichts mehr war, wie es war, hatten sie nun auch noch ein ernstes Problem. Das Problem hatte einen Namen: Leif. Und zu diesem Namen gehörte eine schlichte Gleichung: Leif = Oslo. Schlussfolgerung: Solange es Leif gab, konnten sie sich die Rückkehr nach München abschminken.
»Der soll sich verpissen, der Penner!«
Lukas hatte seine Schwester schon immer für ihre klare Ausdrucksweise bewundert. »Ich glaube aber nicht, dass er freiwillig abhaut«, gab er zu bedenken.
»Dann müssen wir eben ein bisschen nachhelfen.«
»Und wie sollen wir das anstellen?«
Das war natürlich die entscheidende Frage, auf die selbst Franziska spontan keine Antwort einfiel. Nicht dass sie das erste Mal mit einem Mann konfrontiert gewesen wären, der ein Auge auf ihre Mutter geworfen hatte. Davon hatte es auch in München schon einige Exemplare gegeben, doch früher oder später hatte sich das »Problem« stets von selbst gelöst.
»Ist ja auch kein Wunder, dass die Kerle auf Mama abfahren«, sagte Franziska. »Die stehen auf so kleine fröhliche Blondinen.«
»Meinst du echt?«
»Natürlich. Das weckt ihren Beschützerinstinkt«, erklärte Franziska mit überlegener Miene. Lukas war nicht ganz wohl bei dem Thema. Zum einen wusste er wenig über Beschützerinstinkte, zum anderen schien seine Schwester geheime Kenntnisse zu besitzen, die ihm selbst verborgen waren. »Kannst du dich noch an den Glatzkopf erinnern, den Mama im Schwimmbad kennengelernt hat?«, fragte er.
»Du meinst Ralf, der ständig an seinem Auto rumgeschraubt hat?«
»Genau, Ralf, der große Mechaniker«, antwortete Lukas. »Der wollte mal mein Fahrrad reparieren, danach fuhr’s gar nicht mehr.«
»Und unseren alten Fernseher hat er auch auf dem Gewissen. Am Ende hat Mama einen neuen gekauft – mit HD ! Hat sich eigentlich doch gelohnt.«
»Stimmt. Danke für den Fernseher, Ralf!«, sagte Lukas mit übertriebener Betonung.
»Danke, Ralf – du Niete!«, sagte Franziska. »Und dann Stefan, der Architekt …«
»Ach, den gab’s doch nur ganz kurz«, fiel ihr Lukas ins Wort. »Kann mich kaum an ihn erinnern. Enrico war eigentlich ganz nett.«
»Absolut. Nur Skifahren konnte er gar nicht. Weißt du noch, wie er in Kitzbühel ins Lifthäuschen reingerast ist?«
Lukas kugelte sich vor Lachen. »Wir hätten ihm vorher halt mal zeigen sollen, wie das mit dem Bremsen geht.«
»Armer Enrico«, sagte Franziska mit gespieltem Mitleid. »Dabei sah er vorher gar nicht so übel aus.«
So ließen sie eine Reihe von Männern Revue passieren, die in den letzten Jahren vorübergehend ihre Existenz gestreift hatten, bevor sie aus unerfindlichen Gründen wieder von der Bildfläche verschwunden waren. Sie waren wie Zugvögel gewesen, die sich eine Zeit lang bei ihnen niedergelassen hatten, ehe sie erneut aufbrachen, um das eigentliche Ziel ihrer Reise in Angriff zu nehmen.
Und jetzt war also dieser Leif zu ihnen ins Haus geflattert, der machen sollte, dass er weiterflog. Heute Abend würden sie ausgiebig Gelegenheit haben, ihm eine gute Reise zu wünschen, denn heute Abend, so die schockierende Nachricht des Tages, hatte ihre Mutter ihn zum Essen eingeladen.
Als es um drei nach sieben an der Tür klingelte, war das wie ein Stromstoß, der die gesamte Wohnung elektrisierte. Auf dem Esstisch im Wohnzimmer, das ungewöhnlich ordentlich aussah, standen frische Blumen. Franziska beobachtete durch den Spalt ihrer Zimmertür, wie ihre Mutter per Knopfdruck die Haustür entriegelte und sich die Haare zurechtzupfte. Knarrende Schritte hallten durchs Treppenhaus. Der Countdown lief.
Mit Argusaugen verfolgte Franziska die Begrüßungsszene: Ihre Mutter ließ sich ein wenig unbeholfen umarmen und
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