Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
manche scheinen ja lieber ins Blaue hinein zu ermitteln, als die Täter dort zu suchen, wo sie leicht zu finden sind. Man könnte ja womöglich eine unliebsame Entdeckung machen.«
Ohlsen runzelte die Stirn und fragte sich, worauf Bjarne hinauswollte.
»Würdest du das bitte präzisieren«, forderte ihn Liv Eriksen auf. »Vage Andeutungen bringen uns hier nicht weiter.«
»Ach, ich … ähem … wollte natürlich niemandem was unterstellen«, ruderte Bjarne zurück.
»Hast du aber schon getan«, schaltete Ohlsen sich ein, »und jetzt wollen wir wissen, was du damit meinst.«
Auf Bjarnes Oberlippe zeichnete sich ein feiner Schweißfilm ab. »Ich wollte damit nur sagen, dass es jede Menge gewaltbereiter Leute mit fremdenfeindlicher Gesinnung gibt, zumal unter den jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten, zum Beispiel in Grønland …« Er schaute unsicher zwischen Liv Eriksen und Ohlsen hin und her.
»Aus bildungsfernen Schichten, wie hübsch formuliert«, knurrte Ohlsen, der jetzt ahnte, worauf Bjarne anspielte. »Und du willst nicht etwa andeuten, dass meine Frau als Streetworkerin genau mit solchen bildungsfernen, gewaltbereiten Jugendlichen zusammenarbeitet und ich eben deshalb nicht in diese Richtung ermittele, weil ich keinen Ehekrach riskieren will?«, fuhr Ohlsen mit bedrohlichem Unterton fort.
»Äh, nicht direkt«, stammelte Bjarne.
»Nicht direkt?«, fragte Liv mit gehobenen Brauen.
»Ganz und gar nicht, wollte ich sagen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass mein Informant, der sich in der jungen rechten Szene umhört, sehr interessante Dinge zu berichten weiß.«
»Wenn das so interessante Dinge sind, dann stell doch bis Montag mal einen Bericht mit den bisherigen Informationen zusammen«, sagte die Dezernatsleiterin. »Dann können wir immer noch entscheiden, ob es sich lohnt, in diese Richtung zu ermitteln.«
Ausgezeichnete Idee, dachte Ohlsen und musste sich schwer zurückhalten, um seiner Vorgesetzten nicht Beifall auf offener Szene zu spenden. Endlich hatte sie dem dreisten Maulwurfgesicht aus der dänischen Provinz mal die Grenzen aufgezeigt. Nina war ganz seiner Meinung und streckte knapp unter der Tischkante ihren Daumen nach oben. Oberstreber Bjarne hatte eine hübsche Wochenendaufgabe aufgebrummt bekommen. Und wenn sich sein junger Kollege diesen geheimnisvollen Informanten nur ausgedacht hatte, um sich wichtig zu machen? Tja, lieber Bjarne, dann hast du wirklich ein Problem, dachte Ohlsen, der sich ausnahmsweise schon diebisch auf den Montag freute.
Kapitel 13
»Und dann sind wir volle Kanne die Christian Michelsens gate entlanggebrettert«, erzählte Lukas mit leuchtenden Augen. »Am Carl Berners Platz sprang die Ampel schon auf Rot um, aber Leif hat einfach das Gaspedal durchgedrückt – das war echt ein Wahnsinnsgefühl, als würde man fliegen!«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Franziska schlug sich fassungslos die Hand vor die Stirn, während sie in Richtung Schule unterwegs waren. »Da nimmt dich der Typ in seiner Sportkarre auf eine Spritztour mit, und schon frisst du ihm aus der Hand.«
»Warum bist du denn gleich so aggressiv?«, wehrte sich Lukas. »Darf ich nicht mal zu ihm ins Auto steigen?«
»Merkst du denn nicht, dass Leif hier eine ganz billige Nummer abzieht?« Franziska betonte jedes einzelne Wort und gestikulierte mit beiden Händen, als spräche sie mit einem Taubstummen.
»Was meinst du mit billige Nummer ?«
»Dass er genau weiß, wie er Jungs wie dich beeindrucken kann. Dabei sollten wir uns lieber Gedanken machen, wie wir den Angeber wieder loswerden. Dass sich Mama in irgendeinen Knallkopf verguckt, war ja fast zu erwarten, aber wir beide, Lukas« – sie packte ihren Bruder an den Schultern und sah ihm tief in die Augen –, » wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, sonst sitzen wir für alle Zeiten hier oben bei den Elchen fest.«
Bei den Elchen , das war immer ihre Umschreibung für Oslo gewesen, obwohl sie hier noch keinen einzigen Elch erblickt hatten. Franziska musste an einen Fernsehfilm denken, den sie mal in Deutschland gesehen hatte. Der hatte von den Lappen in Nordnorwegen gehandelt, die man heutzutage Samen nannte, weil irgendjemand plötzlich eingefallen war, dass Lappen eigentlich ein Schimpfwort ist. Vielleicht wollte man auch eine Verwechslung mit Putzlappen vermeiden. Allerdings war das Wort Samen ja wohl auch nicht eindeutiger. Und warum die Gegend, in der die Samen lebten, immer noch Lappland und nicht Samland hieß,
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