Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
war ihm nichts Besseres eingefallen, als sich an der Urlaubskasse der liebenswerten Familie zu vergreifen, die ihn unbegreiflicherweise bei sich aufgenommen hatte. Er war wirklich das Allerletzte.
Das Einzige, was er nicht bereute, war die Sache mit der Hütte gewesen. Die gehörte seinem Schulfreund Espen, der sich zu dieser Zeit im Ausland befunden hatte. Espen war im Leben alles geglückt, was bei ihm selbst schiefgelaufen war. Ein durch und durch entspannter und großzügiger Kerl, der sich wahrscheinlich über Leifs Hochstapelei amüsiert hätte, ohne ihm große Vorwürfe zu machen.
Zu dumm nur, dass Lukas die Zeitung gefunden hatte und ihnen am letzten Tag die beiden Rentner über den Weg gelaufen waren. Ein Gespräch mit ihnen hatte er einfach nicht riskieren können. Wenn sie selbst eine Hütte in der Gegend besaßen, was durchaus wahrscheinlich war, dann wäre die dreiste Lügengeschichte von seiner eigenen Hütte sofort aufgeflogen.
So war das eben mit den ewigen Lügen. Sie türmten sich mit der Zeit zu einem gewaltigen Gebäude, das immer wackliger wurde und irgendwann unweigerlich zusammenbrechen musste.
Doch war er schon lange nicht mehr so glücklich gewesen wie an diesem Wochenende in Espens Hütte.
Auch Claudia und Lukas hatten es genossen, das zumindest tröstete ihn ein wenig.
Sie würden sich noch eine Weile über sein plötzliches Verschwinden wundern, während sein Bild in ihrem Gedächtnis allmählich verblasste. Irgendwann würde der Name Leif nur noch mit einer seltsamen Episode ihres Leben in Verbindung stehen, mit einem schrägen Vogel, der sich Claudias Vertrauen erschlichen hatte, um sich eines Morgens mit ihrer Urlaubskasse aus dem Staub zu machen. Sie würden ihn nicht vermissen. Und das war auch gut so. Ohne ihn waren sie definitiv besser dran.
Kapitel 38
Franziska hatte ein trockenes Gefühl im Mund. Und den metallischen Geschmack ihres Bluts. Sie musste sich beim Sturz auf die Zunge gebissen haben. Ihr rechtes Auge schmerzte, als sie auf den kleinen Knochen drückte, der sich darunter befand. Sie hatte das Gefühl, als wäre es geschwollen.
Sie lag auf den harten Dielen eines Holzfußbodens. Benommen setzte sie sich auf und musterte ihre Umgebung. Erblickte ein quadratisches, von trüben Regenschlieren gezeichnetes Fenster. Davor einen abgenutzten Tisch und einen Stuhl. Sie zuckte zusammen, als sich in diesem Moment eine gedrungene Gestalt aus dem dunkelsten Winkel des Raumes löste und auf sie zukam. Es war der Mann mit dem Bulldoggengesicht. Der Mann, der sie verfolgt und sich auf sie geworfen hatte. Offenbar war sie danach bewusstlos geworden.
Mit der Erinnerung kehrte die Angst zurück. Sie hatte Leif nachspionieren wollen, doch der war nicht gekommen. Stattdessen war sie von diesem widerlichen Kerl, der genauso brutal war, wie er aussah, in eine einsame Hütte gesperrt worden. Die Hütte lag in einem riesigen, schwer zugänglichen Waldgebiet. Keiner hatte auch nur die geringste Ahnung, wo sie sich aufhielt. Sie hatte niemanden in ihren Plan eingeweiht, nicht mal Alexander. Jetzt bereute sie es zutiefst, ihm nicht doch eine SMS geschrieben zu haben. Ihm nicht zumindest mitgeteilt zu haben, wo sie hinwollte und was sie vorhatte. Ihre Mutter und Lukas würden sich zu Tode ängstigen, wenn sie nicht spätestens heute Abend nach Hause kam. Sie tastete nach dem Handy in ihrer Hosentasche, aber es war verschwunden.
»Suchst du etwa das hier?«, fragte der Mann mit boshaftem Lächeln und streckte ihr das Handy entgegen. Sie wollte es gerade entgegennehmen, da zog er die Hand zurück und ließ es demonstrativ in der Vordertasche seiner speckigen Jeans verschwinden. »Zwei Dinge will ich von dir wissen«, fuhr er mit rauer Stimme fort und schaute sie durchdringend an. »Wer bist du und was hast du hier zu suchen?«
»Ich heiße …« Sie räusperte sich. »Franziska …«
»Und weiter?«
»Fischer. Franziska Fischer.«
Er runzelte unmerklich die Stirn. »Bist du Deutsche?«
Sie nickte.
»Kommen wir zur zweiten und entscheidenden Frage: Warum schnüffelst du hier herum?«
»Ich bin nur spazieren gegangen«, antwortete sie kleinlaut.
»Lüg mich nicht an!«, schrie er und trat so rasch auf sie zu, dass Franziska sich instinktiv die Hände vors Gesicht hielt.
»Ich geb dir einen guten Rat«, fauchte er. »Wenn du je wieder hier rauskommen willst, dann sagst du mir jetzt die Wahrheit. Ich kann es nämlich nicht vertragen, wenn mich jemand zum Narren halten will!« Sein
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