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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Alejandro: »Ich kenne dich nicht. Habe dich noch nie gesehen. In den ganzen fünf Jahren. Wer zum Henker bist du?«
    »Ich bin niemand. Ein alter Freund.«
    »Niemand«, wiederholte er. Dann starrte er mich an, bis er die Zigarette aufgeraucht hatte. Er warf sie auf den Boden und zertrat sie.
    » Gracias «, sagte er und ging zurück ins Cachanilla’s.
    Ich musste mich kurz orientieren, um herauszufinden, in welcher Richtung die drei Blocks entfernte US-Einwanderungsbehörde lag. Ich konnte den oberen Teil des modernen Bunkers sehen, der zwischen den alten, heruntergekommenen Gebäuden an der Grenze vollkommen deplatziert wirkte. Als ich die Straße entlangging, machten sich Alkohol und Erschöpfung bemerkbar. Ich wollte mich einfach nur hinpflanzen und direkt dort ein Nickerchen halten.
    Bittet, so wird euch gegeben.
    Ich hatte gerade das Ende des Blocks erreicht, als mich etwas Hartes seitlich am Gesicht traf. Die Erfahrung sagte mir, dass es eine Faust war. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass ich recht hatte, und eine zweite Faust (möglicherweise auch dieselbe) schlug mir frontal aufs Maul. Trotz getrübten Blicks konnte ich zwei rote Stiefel erkennen.
    Vor mir stand Rotstiefelchen, dahinter Grünstiefelchen und hinter ihnen noch drei andere Cowboys. Welche Farbe deren Stiefel hatten, weiß ich nicht mehr. Geschah mir ganz recht, wenn ich mir einbildete, ich könnte einem Kerl die Cowboystiefel vollpissen und ungeschoren davonkommen. Ich fragte mich, wie er wohl reagieren würde, wenn ich ihm auch noch draufkotzen würde. Ich hätte gern zu Bobby gesagt: »Habe ich es nicht gleich gesagt?«
    Ich machte einen sinnlosen Versuch, aufzustehen und das Messer aus meinem Stiefel zu holen. Aber ich hatte das Gefühl, fünfzig bestiefelte Füße traten auf mich ein. Ich konnte mich nur zusammenrollen, mit einer Hand mein Gesicht schützend, mit der
anderen meine Eier, und die Keile über mich ergehen lassen. Es hörte sich an, als würden zehn fluchende Mexikaner mit Baseballschlägern auf Brotteig einschlagen. Ich gab kaum einen Laut von mir. Es ist schwierig zu schreien, wenn man nicht atmen kann. Die spitzen Stiefel trafen mich in jedem erdenklichen Winkel. Aber wenn die Schmerzen sich über den ganzen Körper verteilen, kann man sich gnädigerweise auf keine bestimmte Stelle konzentrieren. Jeder neue Schmerz lenkte mich vom vorherigen ab. Auf jeden Fall hielten die Schmerzen nicht lange an, denn nach kurzer Zeit war ich bewusstlos. Ohnmächtig, k. o., besinnungslos, alles gleichzeitig. War auch egal. Ich hatte keine Schmerzen mehr.
    Als ich zu mir kam, brauchte ich eine Weile, um zu verstehen, was passiert war. Leider erinnerten mich die Schmerzen schnell wieder daran, dass ich eins auf die Fresse gekriegt hatte. Kein Wunder, dass mir alles wehtat. Aber ich verstand nicht, warum ich kopfüber hing und mich trotzdem bewegte.
    »Verdammt, was ist los?«, kam es lallend und sabbernd aus meinem Mund.
    »Gott sei’s gedankt und gepfiffen«, lautete die Antwort.
    Bobby ließ mich von seiner Schulter auf den Boden gleiten. Ich drückte mein Gesicht an den kalten Fliesenboden. Noch nie hatte sich etwas schöner angefühlt. Ich öffnete die Augen. Ich war in einem Gebäude. Irgendwo mit grellen Leuchtstoffröhren. Ich sah zu Bobby hoch, dem Blut von der Nase tropfte und dem ein Auge fast vollständig zugeschwollen war.
    »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Guck lieber mal in den Spiegel«, sagte er. »Meinst du, du überlebst das?«
    »Diese Fliese fühlt sich so gut an. So schön kalt. Komm hier runter. Halt dein Gesicht auf die Fliese. Es ist einfach toll«, lallte ich.
    »Super, die haben dir den Verstand rausgeprügelt«, sagte Bobby und versuchte, mich aufzurichten. »Du hast nie gut einstecken können.«
    Ich wollte mein Gesicht weiter an die Fliese halten, aber Bobby zog mich hoch. Ich konnte nicht klar sehen, aber nach kurzer Zeit
konnte ich aufrecht stehen. Ein bisschen wacklig und wankend, aber ich stand.
    »Was zum Teufel ist denn passiert? Wo sind wir?«, fragte ich.
    »Zuerst die zweite Frage. Wir sind im Grenzgebäude. Auf dem Weg zurück nach Calexico. Die Antwort auf die erste Frage dauert länger. Kannst du laufen?«
    »Werden wir sehen.«
    Wir waren in der Eingangshalle der US-Einwanderungsbehörde auf mexikanischer Seite. Die Halle war groß genug, um hunderte Leute aufzunehmen. Sie war wie ein Bahnhof oder Flughafen ausgestattet, mit Sitzbänken und hie und da Kübelpalmen als praktischem Ersatz für

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