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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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ein neues Spiel eingefallen«, brüllte ich fast, um auf nicht sehr sanfte Weise das Thema zu wechseln.
    »Ja?«, sagte Pop ohne wirkliches Interesse. »Sind wir mit dem Erzählen von Kriegserlebnissen fertig?«
    »Ging’s wirklich darum?«
    Pop sah in meine Richtung, aber seine glasigen Augen blickten an mir vorbei. »Also los. Du hast ein neues Spiel?«
    »Du kennst doch Mister Wiley, zwei Zimmer weiter. Der kann ja überhaupt nichts mehr hören, aber er will nicht zugeben, dass er taub ist. Also immer, wenn ich mit ihm spreche, versteht er mich falsch, aber er bittet mich nie, irgendetwas zu wiederholen. Letztens habe ich einen Arzt gesucht und ihn gefragt: ›Haben Sie diesen blasierten Oberarzt gesehen?‹ Ich weiß nicht, was er verstanden hat, aber er hat geantwortet: ›Nein, meine Frau wollte das nie.‹«
    Pop lachte leise in sich hinein.
    »Deshalb habe ich mir gedacht, wir könnten uns was ausdenken, was wir zu ihm sagen. Um zu sehen, wie er reagiert. Um zu
sehen, ob er uns bittet, es zu wiederholen. Was könnte er total missverstehen? Ich wollte zu ihm sagen: ›Letztens habe ich meinen Mustang in der Tiefgarage Ihrer Tochter geparkt.‹«
    Pop lachte. Ich konnte sofort sehen, wie sein Verstand arbeitete. »Nichts macht so viel Spaß, wie sich über Invaliden lustig zu machen.«
    »Ich mache mich nicht über ihn lustig. Ich nutze seine Schwäche aus, um mich zu amüsieren. Das ist was ganz anderes. Außerdem heißt das jetzt ›Behinderte‹«, sagte ich.
    »Und Sekretärinnen heißen jetzt Verwaltungsassistentinnen. Trotzdem kochen die immer noch Kaffee.«
    »Stimmt«, sagte ich und war froh, dass unser Gespräch wieder heiterer wurde.
    Er sagte schnell: »Wie wär’s damit? ›Die Möpse unserer Nachbarin hüpfen immer, wenn ich vorbeikomme.‹«
    Ich lachte und konterte dann mit: »Ich habe meine Ladung mit einem Hinterlader verschossen.«
    »Ich bin gestern mit meinem Kleinen in Virginia gelandet«, sagte Pop.
    Ich brauchte eine Sekunde, um den zu kapieren. Aber als der Groschen schließlich fiel, musste ich so lachen, ich konnte gar nicht mehr aufhören. Dann fing auch Pop an. Ich konnte spüren, wie es losging. Es war der Anfang des großen Lachers. Pops Lachen steckte mich an und umgekehrt. Als Pop unkontrolliert prustete, konnte ich nicht mehr. Ich lachte Tränen. Zusätzlich zu meinen Rippenschmerzen bekam ich auch noch Seitenstiche. Ich fiel fast vom Stuhl.
    Ich versuchte, etwas zu sagen, aber das Lachen war einfach zu stark. Mit war ein guter Witz eingefallen, aber immer wenn ich versuchte zu sprechen, wurden meine Worte von einer Lachwelle erdrückt. Dass ich den Witz nicht rausbekam, machte ihn für mich nur noch komischer. Ich atmete dreimal tief durch. Pop ebenso. Ein kurzer Moment der Stille. Wir beiden wischten uns die Tränen vom Gesicht. Dann gab ich meinen nächsten Gag zum Besten: »Ich habe meine Gurke beim Heiligen Vater im Hinterstübchen versteckt«, und wir waren nicht mehr zu retten.
    Wir lachten so laut. Fünf Minuten lang. Pop und ich lachten über unseren tief sitzenden Schmerz hinweg, bis wir nur noch die körperlichen Schmerzen spürten, die das ausgedehnte Lachen verursachte. Mit dem Lachen ließen wir den Krebs hinter uns. Wir ließen den Tod hinter uns. Und immer wenn es drohte abzuebben, kam eine neue Lachwelle herbei.
    Während er noch lachte, sagte Pop: »Ich will nicht mehr spielen.«
    »Dir fallen sicher noch welche ein«, sagte ich und massierte meine schmerzenden Wangen.
    Pop keuchte ein paar Mal. »Nein, Jim. Es ist zu Ende«, sagte er und schnaubte laut.
    »Was meinst du damit?« Mein Lachen wurde schwächer.
    »Ich gebe auf«, sagte er unter unkontrollierbarem, fast hysterischem Lachen. Sein fröhlicher Gesichtsausdruck zugleich echt und grotesk.
    Während wir beide noch immer Tränen lachten, stand ich auf und ging zu Pops Bett. Pop streckte die Hand aus und fand, auch ohne sehen zu können, meine Hand und umklammerte sie. Die Haut auf seinem Handrücken war dünn wie Papier, sie war von tiefblauen Venen durchzogen und von dunklen Flecken übersät. Ich griff hinter ihn nach seinem zweiten Kissen. Pop lachte. Ich drückte das Kissen mit einer Hand auf Pops noch immer lachendes Gesicht, während ich mit der anderen seine Hand hielt. Er wehrte sich nicht. Er umklammerte meine Hand nur ein klein wenig fester. Ich drückte mit dem Kissen zu, lachte und weinte.
    Ich konnte spüren, wie Pop unter dem Kissen lachte. Er lachte noch, als ich das Kissen fester auf

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