Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
sein Gesicht drückte. Seine Schultern bebten, als er den großen Lacher lachte. Das Lachen, das einem höchstens einmal im Jahr vergönnt war. Pops letztes Lachen.
Und dann nichts. Zehn Sekunden oder auch zehn Minuten. Ich weiß es nicht mehr. Aber erst als mein eigenes Lachen erstarb, bemerkte ich, dass auch Pop nicht mehr lachte. Ich nahm das Kissen von seinem Gesicht und legte es ans Fußende. Er lächelte. Pop war tot.
Ich blieb noch eine halbe Stunde im Zimmer, saß da und hielt Pops leblose Hand. Seine Finger fühlten sich noch warm an. Ich starrte auf einen Punkt im Nichts und versuchte, mich darin zu verlieren. Ich wollte nicht an das denken, was gerade geschehen war, aber war noch nicht bereit zu gehen. Ich war noch nicht bereit, mich zu verabschieden. Ich wusste nicht wie.
Als ich schließlich das Zimmer verließ, fühlte ich mich wie in Trance. Ich wandte mich an die nächste Schwester und sagte ihr, dass mein Vater aufgehört hatte zu atmen.
Sie eilte ins Zimmer, fühlte seinen Puls und kontrollierte seinen Atem. Am Fußende des Betts hing seine Patientenkurve. Sie las sie durch und wurde merklich ruhiger. Dort stand, dass er eine Anordnung zum Verzicht auf Wiederbelebung hatte. Sie sah auf die Uhr und machte eine Notiz auf der Patientenkurve. Sie deckte gar nicht sein Gesicht zu. Ich weiß noch, wie ich dachte: Tun die das nicht normalerweise? – Sie nahm das zweite Kissen vom Bett und legte es auf den Stuhl. Dann zog sie das Laken um ihn herum straff. War das die übliche Vorgehensweise oder wusste sie einfach nicht, was sie tun sollte? Es sah aus, als versuchte sie, das Zimmer etwas herzurichten.
Als sie bemerkte, dass ich noch da war, sah sie mich an und sagte, was ich schon wusste.
»Er ist verschieden. Es tut mir leid.«
Sie hatte ja keine Ahnung.
Dreizehn
Den Rest des Tages war ich völlig umnebelt. Die ganze restliche Woche habe ich nur halb bei Bewusstsein dies und das gemacht.
Ich kann mich nur vage erinnern, dass ich an dem Tag noch mit Angie gesprochen habe. Sie gab mir einen Plastikbecher Wasser und saß mit mir auf einer Bank auf dem Parkplatz. Ich weiß, dass sie geredet hat, aber ich kann mich an kein einziges Wort erinnern. Ich habe eine Schachtel Zigaretten geraucht. Einmal legte sie den Arm um mich. Das weiß ich noch. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Ihr Haar roch nach Schuppenshampoo. Ich weiß noch, dass ich nicht geweint habe, aber später taten mir die Augen weh. Ich glaube, ich habe nicht oft genug geblinzelt.
Ich kann mich erinnern, dass Bobby vorbeikam und mir ein neues Päckchen Zigaretten zuwarf. Angie muss ihn angerufen haben, um ihm zu sagen, dass ich welche brauchte. Er brachte mich nach Hause und blieb da, um mich im Auge zu behalten. Wir tranken Bier. Ich rauchte noch mehr. Wir redeten. Ich versuchte, mich auch am Gespräch zu beteiligen. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich gesagt habe. Ich fühlte mich in Bobbys Gegenwart so wohl, dass wir reden konnten, ohne nachzudenken. Wie automatisch. Vielleicht haben wir über Baseballergebnisse, Horrorfilme oder meinen toten Vater geredet. Ich habe keine
Ahnung, worum es ging. Ich weiß nur noch, dass ich ihm nichts davon gesagt habe, dass ich Pop umgebracht hatte.
Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wie ich eingeschlafen bin, aber am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf. Bobby war über Nacht geblieben. Aus Beschützerinstinkt hatte er im selben Zimmer auf dem Fußboden geschlafen.
Als ich meine erste Tasse Kaffee getrunken hatte, fühlte ich mich etwas besser, aber immer noch ziemlich elend. Aus meinem halbkatatonischen Zustand heraus entwickelte ich mich zum absoluten Nervenbündel. Ich hatte mich unter Kontrolle, aber nur so gerade. Ich konnte kaum an etwas anderes denken als an meine Tat. Der Gedanke daran nagte ständig an mir. Pops Tod kam nicht überraschend. Er war nur die Pointe eines sehr umständlich erzählten Witzes.
Ich hatte mich geistig ein wenig auf Pops Tod vorbereitet. Aber nicht darauf, ihn selbst umzubringen.
Ich würde nicht sagen, ich hatte Schuldgefühle. Vielleicht war es mein ungeheures Rationalisierungstalent, aber schließlich hatte Pop mich gebeten. Pop hatte es gewollt. Was so wehtat, war die Notwendigkeit. Es tat so weh, weil ich derjenige war, der die Möglichkeit hatte, es zu tun. Der Krebs hätte ihn sowieso bald umgebracht, aber meine Gefühle hörten bei diesem Kissen auf.
»Christlich« wäre gewesen, ihn weiterleiden zu lassen. Wollen
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