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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Ansammlung von maquiladoras am Westrand der Stadt. Die Ciudad Perdida war ein aus dem Boden gestampfter Slum, in dem die meisten nur übergangsweise wohnten. Einige warteten auf ihre Chance, die Grenze zu überqueren, aber viele hielt nur die Hoffnung am Leben und sie blieben im eigenen Land.
    Wenn sie auch nicht annähernd so groß wie die von Tijuana waren, so wurden die Slums am westlichen Stadtrand von Mexicali doch immer größer. Es kamen immer mehr wacklige Konstruktionen aus Holzpaletten, Wellblech, Garagentüren, verrottetem Sperrholz, Straßenschildern, blauen Planen und anderen weggeworfenen oder gestohlenen Materialien dazu. Eine Mauer aus aufgestapelten Autoreifen, jeweils zehn übereinander, diente als formlose Abgrenzung zwischen der Straße und der colonia , jeder Reifen in einer anderen Farbe angemalt. Es sah fast schön aus. Bis man Armut und Leid sah, die dahinter eingepfercht und verborgen waren.
    Ich parkte meinen Mazda in schlammigen Reifenfurchen am Straßenrand. Abgestandenes Wasser, das in einen flachen Graben sickerte, verbreitete einen Geruch von Jauche. Drei nackte Kinder rannten lachend einem halb verhungerten Hund hinterher. Bobby und ich folgten ihnen in eine Art Hauptstraße, eine etwas weitere Fläche mit Reihen von Brettern, die kreuz und quer über den modrigen Dreck aus dem Bezirksabflusskanal hinwegführten.
    Bobby war unser Führer und sah nur selten von Tomás’ Wegbeschreibung auf. »Weiter geradeaus. An dem Haus mit der Coca-Cola-Reklametafel als Wand links abbiegen. Falls der Weg überschwemmt ist, siehe unten. Falls nicht, auf das Haus mit der kleinen Satellitenschüssel auf dem Dach zugehen. Direkt hinter dem Haus rechts abbiegen. Dann wird der Weg schmaler.«
    »Tut mir leid, was da vorhin passiert ist«, sagte ich.
    »Was?« Bobby sah von dem Zettel auf.
    »Tut mir leid, dass ich dich da mit reingezogen habe. Durch meinen Fehler hast du mit drin gehangen.«
    »Wenn du Señor Scheißkerl keine geballert hättest, dann hätte ich’s getan. Ich stehe zu dir, egal was passiert, das weißt du doch.«
    Ich bemerkte, dass man auf uns aufmerksam geworden war. Zwei junge Männer folgten uns. Als wir uns dem schmalen Weg näherten, der in der Wegbeschreibung erwähnt worden war, machte ich mir ein bisschen Sorgen um unsere Sicherheit. Nach unserem letzten Ausflug nach Mexicali war mein Gesicht endlich verheilt und ich bildete mir ein, meine Lektion gelernt zu haben. Bobby las weiter die Wegbeschreibung durch und bewegte bei jedem Wort stumm die Lippen.
    »Bobby«, sagte ich, »wir haben Gesellschaft. Zwei Eingeborene folgen uns schon, seit wir hier sind.«
    Bobby schaute sie an und lächelte dann. »Die sind nur neugierig. Langweilen sich wahrscheinlich. Hier kommen nicht viele Gringos rein, außer vielleicht Reporter und Kirchenheinis. Und du siehst wie keines von beidem aus. Die sind harmlos. Die sehen nicht nach Ärger aus.«
    »Ganz plötzlich hast du diese besondere Antenne dafür, ob jemand Ärger macht oder nicht?«
    »Jacke wie Hose. Wenn die was vorhaben, können wir’s mit denen aufnehmen. Alter, nach dieser Scheiße bei Tomás bin ich richtig in Stimmung für eine Keilerei. Ich bin total geladen. Wenn ich nicht bald irgendjemanden ficken oder verprügeln kann, dann explodiere ich. Wenn die Jungs sich prügeln wollen, dann guck nur zu, die mache ich platt.«
    Wir beide lächelten den jungen Männern zu. Sie bemühten sich, hart und gleichgültig dreinzuschauen. Bobby hatte recht, sie waren nur neugierig. Sie folgten uns bis zu unserem Ziel, kamen aber nie näher als zwanzig Meter an uns heran.
    Die Tür war eine der wenigen, die tatsächlich aus Tür bestand. Ich klopfte, erwartete aber keine Reaktion. Falls Minerva recht hatte und dies Yolandas Haus war, wer sollte dann zu Hause sein? Ich klopfte trotzdem noch mal. Nichts. Ich packte die Tür am Türknopf und an der Angel, hob sie zur Seite und lehnte sie gegen die
Wand der Hütte. Eine Tür, die an nichts befestigt ist, kann man nicht abschließen.
    Einer der jungen Männer hinter mir sagte: »Oye. Salga de ahí. Esa es la casa de Yolanda.«
    Bobby drehte sich um. »Yolanda está muerta.«
    » ¿Muerta? « Er blickte erstaunt seinen Freund an. Der andere Junge zuckte mit den Schultern.
    »Sí« , sagte Bobby.
    Die Jungen sprachen leise miteinander. Sie sahen uns noch einmal an und gingen dann dorthin zurück, wo sie hergekommen waren.
    Ich blickte Bobby an, duckte mich unter den niedrigen Türrahmen hindurch und

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