Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
in einem Regiestuhl. Er rauchte einen dünnen Zigarillo und blätterte in einem Aktenordner.
Ein nackter, weißer Mann mit Flattop-Haarschnitt, Ganzarmtätowierungen von Seeungeheuern und rasiertem Sack lehnte an der Wand am Kopfende des Betts und plauderte mit Alejandro. Flattop glänzte ölig vor Schweiß und ging gelassen ungeniert mit seiner Nacktheit um. Alejandro hatte dieses Mal ein lindgrünes Cowboyhemd und dazu passende Stiefel an. Er war ein einziger fleischgewordener Fehlgriff. Flattop und Alejandro lachten Tränen. Als Alejandro mich und Bobby sah, verstummte sein Lachen und er setzte eine düstere Mine auf. Was zum Teufel hatten wir denn getan?
Ich sah Bobby an. Sein Blick huschte durch den Raum. Er sah aus, als wäre er verwirrt von dem, was er sah, und dann plötzlich entsetzt, als er seine Aufmerksamkeit auf die Mitte des Raums richtete.
Ich folgte seinem Blick zu der breiten Matratze, die direkt auf dem Teppichboden lag. Das nackte Mädchen, dem wir die letzten zehn Minuten gelauscht hatten, lag erschöpft da und versuchte, sich mit einem dünnen Laken zuzudecken. Sie war Mexikanerin, sie war winzig und weinte. Niemand beachtete sie, geschweige denn, dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, sie zu trösten.
Als ich die schwarzen Spuren von verlaufener Wimperntusche auf ihren Wangen und den verschmierten Lippenstift auf ihrem Gesicht sah, da merkte ich, wie mein Gesicht heiß wurde und meine Fäuste sich ballten.
Bobby beugte sich zu mir rüber und flüsterte mir ins Ohr: »Wenn du mich nicht innerhalb der nächsten fünf Sekunden hier rausbringst, schlage ich jeden Einzelnen hier drin zusammen.«
Ich ging zu dem Mädchen und bemühte mich, sie in das Laken zu wickeln. »Gehen wir. Vamos. « Ich half ihr auf die Beine. Sie vergrub ihr Gesicht in meiner Achselhöhle. Ihr winziger Körper war so leicht, dass ich sie mit meinem Arm praktisch in die Luft hob.
Alejandro legte mir seine Hand auf den Arm. »Was zum Teufel soll das?«
Ich schüttelte seine Hand ab und ging weiter mit ihr Richtung Tür.
Ich konnte Alejandro hinter mir hören, aber ich überhörte, was er sagte. Größtenteils Drohungen in einem Sprachmischmasch. Ich wollte direkt mit ihr zur Tür raus, aber da meldete sich eine andere Stimme.
»Jimmy.« Es war Tomás. Die Gelassenheit in seiner Stimme machte mir Angst. Er war so verdammt ruhig, vor allem wenn man bedenkt, wie aufgedreht ich war. Ich blieb stehen, aber immer noch zur Tür gewandt.
»Du kannst sie nicht mitnehmen, Jimmy. Wir sind noch nicht fertig. Filmproduktionen sind eine komplexe Angelegenheit. Es gibt Nachdrehs, Gegeneinstellungen, Over-Shoulder-Shots, Nahaufnahmen. Das gehört alles zum Geschäft. Damit genug Material für den Schnitt da ist. Ich habe mit Minerva eine Abmachung. Die letzte Klappe ist für sie noch nicht gefallen.«
Ich drehte mich um. Alejandro hatte sich aggressiv vor mir in Positur gestellt. Bobby baute sich neben mir auf.
»Aus dem Weg, Arschloch«, sagte ich zu Alejandro.
»Sie gehört nicht dir«, sagte Alejandro.
»Cállate« , sagte Tomás. Seine Stimme beschwichtigte Alejandro kurz, aber schnell setzte der wieder seine finstere Miene auf.
Tomás wandte sich zu mir. »Ich kann nicht zulassen, dass du sie mitnimmst. Das weißt du. Ich kann nicht zulassen, dass du hier reinkommst und meine Geschäfte störst. Ich verstehe deine Reaktion ja. Du lebst in einer anderen Welt. Einer Welt mit klaren Regeln. Aber Mexiko ist anders. Ich verstehe deinen Gesichtspunkt. Aber halt! Denk nach! Jimmy, mein Freund. Du bewegst dich auf gefährlichem Terrain. Und zwar auf meinem Terrain. Sei also ganz vorsichtig.«
Ich nickte in vollem Einverständnis. »Tomás, ich weiß, was ich tue, ist dumm. Das ist mir vollkommen klar. Aber ich kann einfach nicht anders.«
»Es gibt Schlachten, die kann man nicht gewinnen.«
»Auf eine gute Schlacht freue ich mich immer«, sagte Bobby, der zu jeder Gelegenheit einen Action-Film-Spruch auf Lager hatte.
Tomás lächelte Bobby an. »Das Schlimmste, dem Minerva zugestimmt hat, ist sowieso schon gelaufen. Wenn ihr sie jetzt mitnehmt, dann entgeht ihr, was ihr zusteht. Ihre Vergütung. Du würdest sie berauben, anstatt ihr zu helfen. Dann wäre ihre Darbietung ganz umsonst gewesen. Und es war eine mitreißende, enthusiastische Darbietung. All ihre Mühen und all ihr Leid wären vertan.« Dann sagte er sanft, aber bestimmt zu ihr: »Venga a mi.«
»Bobby, bring sie raus zu meinem Pick-up«, sagte ich, meinen
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