Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
konnte. Unerschrocken wich sie nicht von der Stelle. Bobby versuchte, sie zu beruhigen, und nach einer Viertelstunde, eher aus Erschöpfung als wegen seiner Überredungskünste, ließ sie Bobby zu Wort kommen.
Sein Spanisch war zu schnell für mich. Aber ich hörte, wie er dreimal innerhalb von dreißig Sekunden » muerta « sagte, und das drang scheinbar zu ihr durch. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich und sie murmelte ein paar Mal » no «.
Mitfühlend wandte sie sich dem Jungen zu und streichelte sein Haar. Sein Gesicht kam mir vertraut vor. War er eines der Chicle -Kinder von ein paar Wochen zuvor? Das wäre allerdings ein Riesenzufall gewesen. Unmöglich. Vielleicht wurde ich einer von
diesen Weißen, für die alle mexikanischen Kinder gleich aussehen. Aber das war’s auch nicht. Ich kannte den Jungen.
Ich konzentrierte mich so sehr auf das Gesicht des Jungen, dass ich kaum mitbekam, wie Bobby zu mir sagte: »Sie will mit uns reden. Sie hilft uns.«
Mit dem Jungen auf dem Arm ging die Frau in Yolandas Haus. Ich wollte ihr gerade folgen, als Bobby mich am Arm zurückhielt.
»Ist es dir auch aufgefallen?«, fragte Bobby und musterte in beunruhigender Weise mein Gesicht.
»Was meinst du?«, fragte ich zurück.
»Mann, der Junge sieht aus wie du. Als ich dich zum ersten Mal im Kindergarten gesehen habe. Der Junge ist eine mexikanische Version von dir.«
Ich wusste doch, dass ich das Gesicht schon irgendwo gesehen hatte. Der Junge sah aus wie ich auf alten Fotos. Nicht wie jemand, dem ich begegnet war, sondern wie Bilder, mit denen ich aufgewachsen war. Bilder auf dem Kaminsims, in verstreuten Fotoalben … Bilder von mir.
Bobby schlug mir auf die Schulter. »Sieht ganz so aus, als hättest du einen kleinen hermano .«
Achtzehn
»Der ist doch niemals Pops Kind!«
»Wie du meinst.« Bobby zuckte mit den Schultern. »Ich sage ja nur, er sieht aus wie eine dunklere Version von dir. Aber ich bin sicher, das ist reiner Zufall. Eine Frau, die von Jack gevögelt wurde, kriegt ein Kind, das aussieht wie du. Ruf bei ›Ripley’s – einfach unglaublich‹ an! Du hast recht. Einfach unmöglich!«
»Nie im Leben ist er noch mal Vater geworden, ohne mir was davon zu sagen.«
»Jeder hat seine Geheimnisse.«
»Warum hat er mir dann nichts gesagt?«
»Komisch, wie sich plötzlich alles um dich dreht«, sagte Bobby. »Jimmy, denk mal nach. Vielleicht war Big Jack nicht so wahnsinnig stolz auf seinen mexikanischen Fehltritt. Er war vom alten Schlag. Er hat wahrscheinlich gedacht, du würdest es nie rausfinden. Wozu hätte er es dir erzählen sollen? Du hättest dich dann nur für das Kind verantwortlich gefühlt.«
»Er ist nicht sein Sohn«, sagte ich.
»Die Frau hat gesagt, er heißt Juan. War Jack früher nicht mal ein Spitzname für John?«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass er mir nichts davon erzählen würde. Was zum Teufel mache ich jetzt? Ist er wirklich Pops
Kind? Dann wären ja seine beiden Eltern tot, gottverdammt! Dann wäre ich …«
»Sein nächster lebender Verwandter. Du wolltest doch ihre Familie finden«, sagte Bobby. »Guck einfach in den Spiegel! Fall gelöst.«
Ich bedachte Bobby mit einem bösen Blick, um ihm zu verstehen zu geben, dass die Situation nicht sehr komisch war. Er grinste blöd, womit er mir zu verstehen gab, dass er Komik sehen würde, wann und wo er wollte.
»Möglicherweise wusste Jack nicht mal, dass er ein Kind hatte«, sagte Bobby.
»Das kann sein«, sagte ich zweifelnd.
»Willst du eine Nebenwette darauf abschließen?«
Ich ignorierte Bobby und ging in Yolandas Haus.
Bobby gab sich alle Mühe zu dolmetschen. Er ließ mich die Fragen stellen und fragte nur manchmal noch einmal nach, um Einzelheiten klarzustellen. Wir beide starrten den kleinen Jungen an, der in der Ecke mit ein paar Bauklötzen spielte, deren Farben längst verblichen waren. Er hatte sogar den gleichen Haarschnitt wie ich in seinem Alter. Er sah aus wie ich in Braun. Ein hübsches Kind.
»Wo ist der Vater des Jungen?«, fragte ich.
Bobby sah mich zuerst nur an, aber fragte dann und lauschte ihrer Antwort.
»Sie sagt, er ist Amerikaner.« Bobby lächelte. »Sie weiß nicht, wie er heißt. Ein Farmer.«
»Darauf kommen wir noch zurück. Kennt sie Yolandas Familie?«, fragte ich.
Bobby sprach mit ihr und gab dann an mich weiter: »Yolanda hat Verwandte in Guadalajara, aber sie weiß nicht, wie die heißen oder wo sie wohnen. Sie glaubt, ihre Eltern sind tot und es sind nur noch Onkel,
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