Taubenkrieg
der Leitung. »Sie können gerade nicht in Ruhe sprechen, stimmt’s?«
»Stimmt. Ist schlecht.«
»Gut, dann rede ich: Was wissen Sie über den Einsatz?«
»So gut wie gar nichts.«
»Wencke war als verdeckte Ermittlerin bei den
Devil Doves
. Die Sache ist dann leider aufgeflogen.«
|220| »Verdammt, wie konnte das passieren?«
Kerstin drehte sich zu ihm um und zischte: »Muss das jetzt sein, Axel?« Ja, das musste sein.
»Es gab einen brutalen Überfall auf eine Schweriner Anwältin, vielleicht haben Sie im Radio davon gehört?«
Nein, Axel hatte lange schon kein Radio mehr gehört. Im Auto hatten sie eine CD mit Sommerhits reingeschmissen und fröhlich mitgesungen. »Hat es was mit diesem Rockermord zu tun? Das Opfer war doch auch ein Anwalt.«
»Hier ging es um die Schwester des Toten. Sie wurde gestern in ihrer Kanzlei niedergeschossen. Wencke war dabei, und dann hat ein Kripomann sie enttarnt.«
»Und weiter?«
»Es gab ein Donnerwetter von unserer Vorgesetzten und eine Pressekonferenz. Auf der war Wencke auch noch anwesend. Anschließend muss sie sich noch mal allein auf den Weg gemacht haben … entgegen der Absprache.«
Das klang sehr nach Wencke, und Sanders’ Sorge wurde dadurch nicht gerade kleiner. »Lassen Sie mich raten: Sie hat keinem Menschen von ihrem Vorhaben erzählt?«
»Leider, ja! Den einzigen Hinweis auf ihren Verbleib habe ich erst heute Morgen auf meiner Mobilbox gefunden. Wegen der vielen Presseanfragen hatte ich es über Nacht abgestellt. Warten Sie, ich spiele es Ihnen vor.« Man hörte ein Kramen und Piepen am anderen Ende, dann war Wenckes Stimme seltsam verzerrt und aus weiter Entfernung zu hören: »
Boris, hörst du? Gauly hat …
« Und dann begann ein völlig übersteuertes Männergeschrei, man konnte kein Wort verstehen.
»Was bedeutet das?«
»Konkret weiß ich das nicht. Gauly ist hier in Schwerin der Leitende Oberstaatsanwalt. Ich habe ihn natürlich gleich mit der Aufnahme konfrontiert, aber er ließ durch seine Sekretärin ausrichten, er habe keine Ahnung, was das bedeuten könne.« |221| Bellhorn ließ sich ein bisschen Zeit mit dem Weiterreden. »Eventuell stimmt das aber nicht so ganz …«
Ein Oberstaatsanwalt, der nicht mit der Wahrheit rausrückte? Das klang nicht gerade ermutigend. »Und was haben Sie jetzt vor?«
Wenckes Kollege wartete kurz ab. »Können Sie nach Schwerin kommen?«
»Klar kann ich das, aber warum?« Nicht, dass Sanders einen Moment lang gezögert hätte, Wencke zu helfen, aber diese Bitte kam ihm seltsam vor. Es gab doch vor Ort sicher genug Einsatzkräfte, die sich um eine verschwundene Polizistin kümmern konnten.
»Das ist eine heikle Geschichte, und die würde ich Ihnen lieber unter vier Augen mitteilen«, war die Antwort.
»Scheiße!«
Kerstin drehte sich wieder zu ihm, und als er ihre Augen sah, hätte er schwören können, dass sie ihn böse anschaute, auch wenn er es besser wusste. Das war immer so, wenn ihm ausnahmsweise Kraftausdrücke herausrutschten. Doch dieses Mal machte er sich nichts daraus. Es war alles egal. Wencke war in Gefahr, da gab es nichts anderes, was wichtiger sein könnte, auch kein böser Blick seiner Frau.
»Ich möchte Sie da jetzt auch nicht beunruhigen …«, begann Bellhorn sehr halbherzig einen Satz, von dem klar war, dass er ihn nicht beenden würde.
»Zu spät!« Axel schaute sich um. Sommer und Liegewiese und ein voller Picknickkorb am Ufer. Emil und Ricarda hatten Spaß, Kerstin war zwar unentspannt, aber das konnte sich noch geben. Eigentlich hätte es ein richtig netter Sonntag werden können. »Ich komme so schnell wie möglich nach Schwerin.«
Kerstin hörte auf zu treten.
»Ist was mit Mama?«, fragte Emil. Der Junge war einfach zu clever, um ihn mit harmlosem Blabla abzuspeisen.
|222| »Treffen wir uns im Hotel Speicher, ich habe dort ein Zimmer gebucht«, meinte Bellhorn.
»Wer wird noch da sein?«
»Ich fürchte, nur wir beide.«
»Warum bekommen Sie keine Unterstützung vom LKA? Immerhin ist eine Kollegin verschwunden …«
»Es weiß niemand außer mir Bescheid, dass Wencke verschwunden ist.«
»Aber Sie haben doch diesem Staatsanwalt die Aufnahme vorspielen lassen.«
»Da habe ich eine kleine Notlüge erfunden, um den Grund zu verschleiern.«
»Sie haben Wencke noch nicht als vermisst gemeldet?«
»Nein.«
»Weshalb nicht, in Dreiteufelsnamen?«
»Ich halte es für besser so. Bei einer Vermisstenmeldung wird die Polizei aktiv – und die
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