Taumel der Gefuehle - Roman
gegen den Drang an, ganz zu ihr zu eilen. »Aber spurlos zu verschwinden|...« Er machte eine hilflose Geste mit den Händen, dann ließ er sie wieder sinken. »Du stimmtest zu, nach Rosemont zu fahren.«
»Ich weiß.« Schuldbewusst blickte sie zu Boden. »Ich konnte es nicht.«
»Ich war dort«, erklärte er ihr. »Ich fuhr zum Oberst und zu meiner Mutter, sogar nach Hampton Cross. Ich folgte deinen Spuren bis zum Gasthof, in dem du die erste Nacht verbrachtest. Niemand konnte mir sagen, wohin du danach fuhrst. Du warst wie vom Erdboden verschwunden.« Dann versagte ihm die Sprache, und er musste tief einatmen, um weiterreden zu können. »Ich glaubte, du hättest dich zu ihm geflüchtet.«
Langsam hob Elizabeth den Kopf. »Ihm?«
»Dem Mann, dem du erlaubtest, mit dir ein Kind zu zeugen.«
Die Knie gaben unter ihr nach, und sie sank wie ein Stein auf die Bank. »Es tut mir Leid«, flüsterte sie. »Es tut mir so Leid!«
Rasch trat North auf die Bank zu und kniete sich vor Elizabeth. Er nahm ihre Hände in die seinen und streichelte mit den Daumen über ihre weißen Knöchel. »Elizabeth, bitte. Ich möchte dir keine Schmerzen bereiten.«
Sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte und wünschte, er würde sie in den Arm nehmen. »Es liegt nicht an dir«, wisperte sie ruhig. »Der Schmerz ist immer da. Ich lebe mit ihm, an manchen Tagen besser als an anderen. Und da du mit mir gelebt hast, bist auch du nicht davon verschont worden. Es war falsch von mir, dir etwas aufzubürden, das du nicht verstehen kannst.«
»Erzähl mir von ihm, Elizabeth. Nur ein einziges Mal. Lass mich dich verstehen!«
Das Mondlicht reichte aus, um Elizabeth zu zeigen, dass sich die Aufrichtigkeit seiner Worte in seinen Gesichtszügen spiegelte. In seinen Augen lag keine Bitterkeit, sondern Geduld und Wärme. Elizabeth fühlte sich verletzlich, da North so viel freimütiger und beherrschter war als sie.
»Ich werde dir seinen Namen nicht verraten«, sagte sie schließlich.
»Das musst du auch nicht. Sein Name ist unwichtig. Erzähl mir von ihm.«
Elizabeth atmete flach und begann: »Du wirst leider enttäuscht sein. Da gibt es nicht viel zu berichten.« Sie stieß ein leises, befangenes Lachen aus. »Meine Kindheit änderte sich schlagartig mit dem Tod meiner Mutter. Der
Oberst wurde eine wichtige Figur in meinem Leben. Mein Vater wollte nicht, dass er nach Rosemont kam, doch seine Briefe eröffneten mir eine völlig neue Welt, eine Welt außerhalb der Grenzen meines Zuhauses. Alles erschien realer. Jemand, den ich kannte, erlebte Dinge, von denen ich nur in Büchern gelesen hatte.« Für einen Moment spielte Elizabeth an ihrer Oberlippe, dann erst sprach sie weiter. »Der Vater meines Kindes war ein Soldat, ein Offizier, so wie du einer warst. Ich lernte ihn während meiner ersten Ballsaison kennen. Dass ich überhaupt in die Gesellschaft eingeführt wurde, habe ich Isabel zu verdanken. Sie überredete meinen Vater, und ich glaube, dass sie es im Nachhinein nicht bereuen, weder sie|... noch mein Vater.«
»Du meinst Selden«, sagte North ruhig.
Erschrocken fuhr Elizabeth zusammen. Hätte er ihre Hände nicht fest umklammert, hätte sie sie ihm entzogen. »Wie kannst du|...« Sie hielt inne. »Haben sie es dir erzählt?«
North schüttelte den Kopf. »Nein. Dein Vater und Isabel hüten dein Geheimnis ebenso gut wie du. Es war Selden selbst, der es preisgab.«
Elizabeths Brauen hoben sich. »Aber das kann er gar nicht. Er weiß nicht|...« Erneut verstummte sie.
»Es tut mir Leid«, fuhr ihr Northam ins Wort. »Ich wollte dich nicht ängstigen. Natürlich hast du Recht. Selden weiß nicht, dass er dein Sohn ist.«
»Wie hast du es dann erfahren?«
»Er rannte mir hinterher, als ich Rosemont verlassen wollte. Irgendwie muss er gehört haben, dass du aus London weggelaufen bist. Er forderte mich auf, dich so lange zu suchen, bis ich dich gefunden habe. Er stand auf
der Brücke, versperrte mir den Weg, und befahl mir, dich sicher zurückzubringen.«
Elizabeth hatte die Luft angehalten. Nun atmete sie langsam aus. »Hat er sein Kinn so in die Luft gereckt?« Sie hob den Kopf.
»Genau so«, pflichtete North ihr bei. »Und seine Augen funkelten, und die Arme hatte er in die Hüften gestemmt. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, du stündest dort, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Viscount Selden ist dein Sohn.«
»Viscount Selden ist der Sohn meines Vaters«, korrigierte sie ihn sanft. Tränen füllten ihre
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