Taumel der Gefuehle - Roman
nichts von ihm erwarten können. Um meinetwegen machte ich mir überhaupt keine Sorgen, wollte jedoch meinem Sohn die Schmach nicht antun, unehelich auf die Welt zu kommen.«
North fiel wieder ein, wie heftig Elizabeth reagiert hatte, nachdem er ihr von Wests Schicksal erzählt hatte. Sie hatte hartnäckig darauf bestanden, dass Wests uneheliche Geburt ihn von den anderen Kindern unterschied. Er entsann sich der Leidenschaft, mit der sie gesprochen hatte. Den Grund für ihre glühende Rede hatte er damals allerdings nicht erahnen können.
»Du hättest heiraten können«, meinte er. »Das passiert öfter, als du denkst.«
»Vielleicht. Aber ich konnte es nicht. Jemanden heiraten, den ich nicht liebe und ihn zu bitten, mein Kind anzunehmen |... oder noch schlimmer, vorzugeben, es sei seines...« Ihre Stimme verhallte.
Nachdenklich nickte Northam. Er umschloss ihre Hände und streichelte sanft über ihre Knöchel. Dann holte sie tief Luft und fuhr fort.
»Mein Vater plante unsere Reise auf den Kontinent. Natürlich sahen wir unterwegs wenig von den Sehenswürdigkeiten, sondern reisten sofort nach Italien. Adam wurde in Venedig geboren. Die Hebamme legte ihn in Isabels Arme, und sie verließen den Raum, ohne ihn mir
zu zeigen. Mein Vater bestand darauf, und ich kann ihn nicht einmal tadeln, falsch gehandelt zu haben. Hätte ich Adam erst in Armen gehalten, hätte ich ihn vielleicht nicht mehr aufgeben können. Sie verließen Venedig noch am selben Abend und fuhren nach Rom. Ich hörte meinen Sohn nicht schreien oder weinen, sah ihn nicht lächeln.«
Elizabeth blickte an Northam vorbei zu dem Vorhang aus Schnee vor den Fenstern. »Nach einiger Zeit erschien mir die Situation so irreal. Während ich mich in Venedig aufhielt, veränderte sich mein Körper und nahm wieder seine normale Gestalt an. Meine Brüste verloren langsam ihre Fülle. Die Rückenschmerzen verschwanden. Mein Bauch wurde wieder flach.« Dann sah sie North in die Augen. »Du bemerktest aber auf meinem Bauch den einzigen Beweis, der mir geblieben ist. Die Schwangerschaftsstreifen sind über die Jahre schwächer geworden, aber nichts konnte sie völlig zum Verschwinden bringen.«
»Hättest du es mir jemals erzählt?«, fragte er vorsichtig.
Elizabeth konnte ihn nicht anlügen. »Nein.«
North atmete langsam aus. Eigentlich hatte er diese Antwort erwartet.
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte etwas so viel Besseres verdient, als sie ihm hatte geben können. »Es ist jedoch nicht, wie du denkst«, sagte sie.
»Oh? Und wie ist es dann?«
»Es liegt nicht daran, dass ich dir nicht vertraue.« Sie sah, dass eine seiner Brauen skeptisch nach oben schoss. »Ich konnte niemandem vertrauen. Ich konnte es einfach nicht.«
»Ich höre.«
»Von dem Moment an, in dem Adam geboren wurde, vertraute mein Vater auf mein Schweigen. Und auf das Isabels. Es war die einzige Möglichkeit, wie unser Täuschungsmanöver Erfolg haben konnte. Damit Adam als Lord Selden, der Erbe meines Vaters, anerkannt wurde, durfte niemand davon erfahren.« Elizabeths Blick wurde weich, während sie Northam anflehten, sie zu verstehen. »Sobald wir nach Rosemont zurückkehrten, wurde es unmöglich für mich, zusammen mit ihnen unter einem Dach zu leben. Ich zog nach London...« Sie zögerte, und der Mut verließ sie. North drängte sie nicht weiterzuerzählen, doch sie wusste, dass er ein Recht darauf hatte, die Wahrheit zu erfahren. »Ich glaube, mein Vater und Isabel waren erleichtert. Zufälligerweise traf ich dann Lord und Lady Battenburn.« Sie sah, dass er leicht nickte, als hätte er dies erwartet. »Louise und ich wurden Freundinnen. Ich genoss ihre Gesellschaft, und sie war sehr gütig. Harrison schien es nicht zu stören, dass ich ein Dauergast in ihrem Haus wurde. Ich weiß nicht genau, wie es geschehen konnte, aber eines Tages erzählte ich ihnen alles.«
North sagte nichts, sondern erhob sich ungelenk, während Elizabeth weiterhin nur auf ihre Hände starrte. »Seit diesem Zeitpunkt erpresst sie dich?«, fragte er dann leise.
Elizabeth hob rasch den Kopf und bestätigte seine Frage mit einem Nicken, noch bevor sie zum Reden ansetzte. »Woher weißt du das?«
»Es war nur geraten«, gab er zu. Dann überstürzten sich die Bilder in seinem Kopf. »Dein Vater? Er weiß, was du getan hast.«
Sie nickte und ließ die Schultern hängen.
»Louise erpresste auch ihn«, vermutete Northam.
»Ja.« Die Antwort war kaum zu hören.
»Ich nehme an, Louise ist in
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