Taumel der Gefuehle - Roman
Gesichts waren mit scharfen, kühnen Strichen gemeißelt. Um seine Mundwinkel lag ein unerbittlicher Zug, das kantige Kinn zeigte keine Spur von Schwäche. Er schien nicht so sehr nachzudenken, als sich zum
Kampf zu rüsten. Sogar seine Nase, die nicht ganz gerade war, war aggressiv nach oben gereckt. Allein seine langen dunklen Wimpern, die einen perfekten Kontrast zu seinem strohblonden Haar bildeten, ließen eine verletzliche Seite erahnen.
Nach einem kurzen Moment des Schweigens drehte der Earl sich wieder zu Elizabeth und entschuldigte sich für seine Unaufmerksamkeit.
»Hattet Ihr viele Einladungen für diese Zeit erhalten?«, wechselte sie geschickt das Thema. Zu Ehren von Wellingtons Sieg bei Waterloo vor drei Jahren wurden dieser Tage Einladungen wie Kanonenfeuer verschickt. Jede Gastgeberin, die etwas auf sich hielt, stürzte sich ins Kampfgetümmel. Bisher hatte die Baronin sehr gut abgeschnitten. Die zweiwöchige Veranstaltung auf ihrem Landsitz gab den Gästen die Möglichkeit, zu kommen und zu gehen, wann immer es ihnen passte. Im Verlauf der Feierlichkeiten würde die Crème de la Crème der Oberschicht bei den Battenburns vorzufinden sein.
»Viele Einladungen?«, grübelte Northam. »Es war unmöglich, sich aus der Schusslinie zu retten. Allerdings fiel mir die Entscheidung nicht schwer, denn ich wollte sehr gerne hier sein.«
Elizabeth lächelte dankbar. »Die Baronin wird hoch erfreut sein zu erfahren, dass Ihr diese Gesellschaft all den anderen vorgezogen habt. Ihr habt nichts dagegen, dass ich das Kompliment an sie weitergebe?«
»Überhaupt nicht, aber ich sollte Euch vielleicht den Grund nennen, warum ich hierher kommen wollte.«
Das Lächeln wich aus Elizabeths Gesichtszügen, und sie legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Ich verstehe nicht, was Ihr meint.«
»Wirklich nicht?«
»Das habe ich eben gesagt, oder nicht?«
Eine seiner Brauen schoss in die Höhe, als er die Ungeduld in ihrer Stimme vernahm. »Dann habe ich wohl entweder Euren Scharfsinn überschätzt oder mich nicht eifrig genug um Euch bemüht.«
»Es liegt sicherlich nicht an meiner Auffassungsgabe.«
Er nickte. »Das kann auch ich mir nicht vorstellen. Folglich habe ich mein Interesse nicht ausreichend bekundet.«
Am liebsten wäre Elizabeth in diesem Augenblick weit fort gewesen. Die Sonne schien nicht länger zu wärmen, und der Stein unter ihren Fingerspitzen fühlte sich kalt an. Ihr dringendes Bedürfnis, von North fortzukommen, spiegelte sich in ihrer entsetzten Miene wider.
»Nun ist Euch unbehaglich zumute«, meinte Northam gelassen.
»Nein, es ist nur, dass...«
»Bitte keine Ausflüchte. Es ist allzu deutlich, dass Euch meine offene Rede nicht gefällt. Vielleicht kann ich Euch jedoch beruhigen.«
Elizabeth wusste nicht, wohin sie blicken sollte, denn sie war gekränkt, dass er sie derart leicht durchschaut hatte. Sie war doch kein naiver Tölpel! Mit ihren sechsundzwanzig Jahren hatte sie gelernt, sich ihre Gefühle in der Öffentlichkeit nicht anmerken zu lassen. Am liebsten hätte sie sich kurz weggedreht, so wie er es vorhin getan hatte, um sich wieder zu fangen. Stattdessen ließ sie sich nicht einschüchtern und sah ihn beherzt an. Sie wünschte sich nur, dass sie etwas gegen die verräterische Farbe machen könnte, die ihr in die Wangen geschossen war.
»Ich fühle mich keineswegs durch Euer Interesse aus
dem Konzept gebracht«, erwiderte sie kühl. »Es macht mich lediglich misstrauisch. Ich habe in diesem April bereits meinen sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und werde von einigen als Blaustrumpf bezeichnet. Abgesehen davon sagt man mir nach, ich habe in meiner Freizeit zu viele Bücher gelesen. Es ist durchaus bekannt, dass eine Eheschließung mit mir eine hübsche Mitgift mit sich bringen würde, ich allerdings nicht bereit bin, mein Schicksal in die Hand eines anderen zu legen. Außerdem mag es Eurer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass ich unbeholfen bin – man könnte auch sagen verkrüppelt. Ich bin nicht gerade die Art Gefährtin, die man für den Bund der Ehe auswählt, sondern lediglich dafür, die Zahl der Gäste bei einer Abendgesellschaft aufzurunden. Und wenn das nicht schon genügend Gründe wären, einen vermeintlichen Verehrer abzuschrecken, gibt es da noch meinen Vater, den Earl von Rosemont, einen schwierigen und streitsüchtigen Mann.«
Northam schwieg für einen Moment und betrachtete Elizabeths entschlossenes Gesicht, ihre herausfordernden, mandelförmigen
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