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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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davongelaufen ist.
    Warum sollte er sich das alles ausdenken?
Um Mitleid zu kassieren?
    Unwahrscheinlich. Seine Sätze haben
einen sehr nüchternen Touch. Sie sind nicht triefend vor Tragik, nicht annährend
so jammervoll wie einige meiner es waren.
    Warum schreibt er mir das?
    ›Warum schreibe ich dir das alles?‹,
fragt er und mir läuft ein Schauder über den Rücken. ›Wie ist eigentlich dein richtiger
Name?‹
    Dreimal platziere ich meine Finger
auf der Tastatur, doch hebe sie stets wieder an, um nicht zu schreiben. Ich befürchte,
dass, wenn ich ihm meinen Namen verrate, unsere virtuelle Verbindung ein wenig an
Distanz verliert.
    ›Lena‹, tippe ich nach einer kleinen
Ewigkeit.
    ›Hallo, Lena. Ich bin Christoph.‹
     
    In der Nacht habe ich einen seltsamen Traum. Darin bin ich ohne Pause
im Internet unterwegs und erwarte plötzlich von Christoph ein Kind, obwohl Lukas
und ich für Nachwuchs sorgen wollten. Mein Bauch wird dicker und dicker, doch ich
verheimliche Lukas die Schwangerschaft aus Angst, dass er mich verlässt. Als er
es weiß, gehen wir zum Ultraschall, um in Erfahrung zu bringen, ob es ein Junge
oder ein Mädchen ist. Es ist ein Mädchen und man kann deutlich die Taucherbrille
erkennen, die es trägt. Lukas findet das suspekt und vor lauter Panik springe ich
von der Brücke, die über den eigentlich flachen Fluss unserer Stadt führt. Unter
Wasser gibt es bunte Fische und ein altes Wrack, das mit Korallen bewachsen ist.
Ich kann sogar atmen. Ich will das Wrack aus nächster Nähe betrachten und schwimme
dicht heran. Es öffnet sich ein Bullauge, meine Großmutter steckt den Kopf raus.
Sie nimmt mir meine Zigaretten weg und predigt, dass Schwangere nicht rauchen dürfen.
Zudem wirft sie mir vor, dass das Kind nur deshalb eine Taucherbrille aufhat, weil
ich ständig am Qualmen bin.

Meine pseudoitalienische Sippe
     
    Am späten Nachmittag des nächsten Tages zwängt sich die Sonne durch
eine Lücke in den Wolken und schiebt sie mit Kraft auseinander.
    Ich muss raus! Raus! Raus! Aus dieser
Wohnung. Fort von der Couch. Und vor allem ganz weit weg vom Computer, an dem ich
schlichtweg zu viel Zeit verbringe. Vor allem nachts. Dass die Gespräche mit Christoph
längst kein unverfängliches Geplänkel mehr sind, beweist der Traum, über den ich
immer wieder nachdenke. Da dieser Mann auf der Insel im Atlantik es nun sogar in
meine Träume schafft – und dies nicht gerade als Nebendarsteller – ist es zweifelsohne
Zeit, ein bisschen Frischluft zu schnappen und zu Verstand zu kommen.
    Durch den Feierabendverkehr fahre
ich ans andere Ende der Stadt. ›Bachmann Village‹ nennen Lukas und ich das Wohngebiet,
was weniger darauf zurückzuführen ist, dass mein Vater alle dort stehenden Häuser
gebaut hat, sondern vielmehr darauf anspielt, dass dort lauter Bachmanns wohnen.
Jeder einzelne ist mit mir verwandt. Das Haus meiner Eltern war das erste in der
neu erschlossenen Siedlung und eines der ersten Projekte meines Vaters als selbstständiger
Architekt. Dem folgte das Nachbarhaus, in welchem meine Großeltern einquartiert
wurden – was vor allem praktische Gründe hatte. Meinem Onkel und meiner Tante gefiel
es am Stadtrand plötzlich so gut, dass sie ihre eigentlich heiß geliebte Wohnung
in Stadtmitte aufgaben und ins dritte Haus zogen. Das vierte sollte verkauft werden,
doch da wurde Theresa, die Freundin meines jüngeren Bruders Karsten, überraschend
schwanger. Haus Nummer fünf wurde tatsächlich verkauft, wenn auch an einen Bruder
von Theresa. Der heißt zwar nicht Bachmann, aber gehört trotzdem zur Familie.
    Damals waren Lukas und ich noch
nicht verheiratet und wohnten in einer Zweiraumwohnung. Als wir uns auf die Suche
nach etwas Geräumigeren machten, appellierten meine Großeltern an den Gerechtigkeitssinn
meiner Eltern und meinten, auch für Lukas und mich müsse ein Haus her. Dass wir
einer über zwei Etagen verteilte Altbauwohnung den Vorzug vor ›Bachmann Village‹
gaben, hat man uns übel genommen. Mir ganz besonders, schließlich ließ ich meine
Familie damit wissen, dass ich nicht aufhören würde, ein Sonderling zu sein. Seit
jeher war ich die Träumerin unter den Wachen, die immer ein paar Schritte vorauslief
oder hinterhertappte. Ich war die oft unerträgliche Ironikerin und der unkommunikative
Sturkopf, der von klein auf das Gegenteil vom Erwarteten tat. Dass ich mich weigerte,
zur Familie zu ziehen, passte perfekt zu meinen restlichen Fehltritten. Beispielsweise
erlaubte ich

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