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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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es mir einmal, über Weihnachten und Neujahr zu verreisen. Ein anderes
Mal behauptete ich, keine Lust auf eine Geburtstagsparty zu haben, und fuhr stattdessen
ins Grüne – nur Lukas begleitete mich, und wir verrieten niemanden, wo wir waren,
was gleich das nächste Übel war. Schließlich hat man in der Familie weder Geheimnisse
noch ein Recht auf Privatsphäre.
    So verschieden unsere Ansichten
sind, so sehr unterscheiden sich auch unsere Charaktere, weshalb ich nicht selten
überlege, ob ich bei der Geburt vertauscht wurde. Während die Bachmanns überall
dabei sein müssen, die Welt um sich versammeln und dem Mainstream folgen, umgebe
ich mich mit wenigen guten Freunden und sehe gar nicht ein, die Dinge zu mögen,
die alle mögen, bloß weil alle sie mögen. Ich komme gern mit anderen Menschen zusammen,
meine Eltern und Co. eingeschlossen, aber ich wünschte, sie würden nicht aus allem
eine Party machen.
    Doch die Bachmanns mögen Partys.
Es wird gefeiert, was ansteht. Steht nichts an, feiert man ohne Grund. Geburtstage,
Namenstage, Hochzeitstage, Ostern, Weihnachten, Pfingsten, Sankt Nimmerleinstag.
All die Feste würden gar nicht so laut und heftig und oft sogar ohne Streiterei
ablaufen, hätte sich die Familie seit der Geburt meiner Neffen nicht vergrößert.
Nicht allein um die Zwillingsjungen, sondern um die ganze italienische Sippe meiner
Schwägerin. Die ja dann auch in Teilen in ›Bachmann Village‹ einzog.
    Bekanntlich sind Familienbande unter
Italienern noch stärker als bei uns Deutschen. Ich befürchte, es hat die Bachmanns
infiziert. Insbesondere meinen Bruder Karsten, der, seit er Theresa liebt und gemeinsame
Sache mit ihren Brüdern macht, seinen deutschen Wurzeln zum Trotz im Herzen ein
Italiener ist. Vielleicht wird er demnächst eine Änderung seines Namens beantragen.
Aus Karsten wird Carisio oder so ähnlich.
     
    Meine Eltern haben eine Flasche Weißwein geöffnet und chillen im Garten
hinterm Haus. Sobald ich bei ihnen sitze, löchern sie mich zu meiner Arbeitssituation
und möchten wissen, was ich vorhabe zu tun. Ich habe noch nicht geantwortet, da
gesellen sich meine Großeltern hinzu, die gleichermaßen besorgt sind über meine
Zukunft in der Firma. Während mein Großvater, einst selbst Unternehmer, das Unvermögen
meines Chefs mit mürrischem Schweigen quittiert, äußert meine Großmutter die brillanteste
Idee überhaupt.
    »Schaff dir ein Kind an«, schlägt
sie vor und wundert sich, warum ich so gereizt reagiere.
    Überhaupt wundert sie manches. Warum
haben Lukas und ich geheiratet, wenn wir doch nicht die Absicht hegen, in nächster
Zeit Nachwuchs zu produzieren? Und weshalb fühlen sich Karsten und Theresa nicht
im Mindesten zu einer Hochzeit verpflichtet, wo ihnen der Fauxpas unterlief, außereheliche
Kinder zu zeugen? Eine vollkommen verdrehte und in den Wurzeln faule und zum Scheitern
verurteilte Welt ist das, sagt sie.
    Zum Glück
geschieht nun etwas, das alle ablenkt. In einer der bachmännischen Garageneinfahrten
hält ein brandneuer Mercedes. Wie ich erfahre, handelt es sich um die Neuanschaffung
von einem der drei Brüder meiner Schwägerin. Er hat sehr lange gesucht, bis er ein
neues Mercedes-Modell fand, das dem alten und denen seiner Brüder in nichts nachsteht.
Das Fabrikat muss eine der familiären Obsessionen sein, denn auch mein Bruder fährt
Mercedes.
    Aus dem brandneuen
Mercedes steigt Allessandro, hinter ihm seine Frau und die beiden Jungs. Von meinem
Vater werden sie mit lautem Hallo begrüßt und herübergerufen. Meinem Bruder ist
die Ankunft des Schwagers nicht entgangen. Er kommt aus dem Nebenhaus gelaufen,
gefolgt von Theresa mit den Zwillingen. Es dauert nicht lange bis auch Leonardo,
Schwager Nummer zwei, samt Frau, Tochter und Sohn im Garten aufschlägt. Als mein
Vater die Idee hat, Pizza zu bestellen, weiß ich, dass es wieder eine Party geben
wird und spüre Enttäuschung in mir aufkeimen. Ich hatte gehofft, einfach einmal
bei meinen Eltern sitzen zu können. Ich wollte über nichts Bestimmtes mit ihnen
sprechen, sondern nur entspannen. Da das nun ausgeschlossen ist, will ich mich verabschieden.
Wie befürchtet, werde ich von allen Anwesenden halb entrüstet aufgefordert zu bleiben.
    Die Pizza bringt Giacomo, der dritte
Schwager und Inhaber des Pizza-Lieferdienstes. Er wiederum erscheint in Gesellschaft
seiner Frau und der drei Söhne.
    Die Männer stehen zusammen, rauchen
und trinken und gestikulieren mit Händen und Füßen, als würden sie

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