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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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stopfte seine Hände zwischen die Knie und starrte mit leerem Blick vor sich hin.
    »Du würdest doch nicht …, Mami, ich mache mir Sorgen, dass …«
    »Daran habe ich tatsächlich gedacht, als die Nachricht kam«, erklärte Mami. »Ich will dich nicht anlügen. Der Gedanke geht mir immer noch durch den Kopf. Aber nein. Du brauchst keine Angst zu haben, Laila. Ich will den Tag erleben, an dem sich der Traum meiner Söhne verwirklicht. Ich möchte miterleben, wie die Sowjets schmachvoll abziehen und die Mudschaheddin als Sieger in Kabul einmarschieren. Ich möchte dabei sein, wenn das geschieht, damit meine Söhne durch mich, mit meinen Augen sehen, dass Afghanistan endlich befreit ist.«
    Kurz darauf war Mami eingeschlafen. Laila blieb mit gemischten Gefühlen neben ihr liegen. Obwohl beruhigt darüber, dass Mami am Leben bleiben wollte, schmerzte es sie, dass nicht sie der Grund dafür war. Sie würde im Herzen ihrer Mutter keinen solchen Eindruck hinterlassen wie ihre Brüder, denn Mamis Herz war wie ein fahler Sandstrand, auf dem Lailas Spuren von den Wellen des Kummers, die darüber hinwegbrandeten, immer wieder weggespült werden würden.

21
    Der Fahrer lenkte sein Taxi an den Straßenrand, um einen weiteren Konvoi sowjetischer Jeeps und Panzerfahrzeuge vorbeizulassen. Tarik beugte sich nach vorn und rief: » Pajalusta! Pajalusta! «
    Ein Jeep hupte; Tarik antwortete mit schrillem Pfeifton. Er strahlte übers ganze Gesicht und winkte den Soldaten zu. »Was für Geschütze!«, rief er. »Diese Jeeps, super. Eine fantastische Armee. Zu dumm nur, dass ihr gegen einen Haufen Bauern mit Steinschleudern den Kürzeren ziehen werdet.«
    Der Konvoi zog vorbei. Der Chauffeur nahm die Fahrt wieder auf.
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Laila.
    »Eine Stunde, höchstens«, antwortete der Taxifahrer. »Vorausgesetzt, wir werden nicht ständig aufgehalten.«
    Laila, Babi und Tarik unternahmen einen Tagesausflug. Hasina hatte auch mitkommen wollen, was ihr aber von ihrem Vater verboten worden war. Die Idee zu dem Ausflug war Babis gewesen, und obwohl er es sich eigentlich kaum leisten konnte, hatte er den Chauffeur für einen ganzen Tag angeheuert. Wohin es gehen sollte, wollte er Laila nicht verraten; er hatte lediglich angedeutet, dass das Ziel ihrer Allgemeinbildung zugute komme.
    Sie waren schon seit fünf Uhr in der Früh unterwegs. Schneebedeckte Berge, Wüsten, Schluchten und unter der Sonne glühende Felsmassive wechselten einander ab. Sie kamen an strohgedeckten Lehmhütten vorbei, an Feldern voller Getreidegarben. Auf staubigem Gelände entdeckte Laila hier und da die schwarzen Zelte der Koochi -Nomaden, häufiger noch ausgebrannte Wracks sowjetischer Panzer und abgeschossener Hubschrauber. Das also, dachte sie, war das Afghanistan ihrer Brüder. Hier, in diesen Provinzen, wurden die Schlachten ausgetragen. Nicht in Kabul. In Kabul blieb es meist friedlich, und wären dort nicht gelegentlich Maschinengewehrsalven zu hören und sowjetische Soldaten zu sehen, die rauchend über die Gehwege schlenderten oder in ihren Jeeps über die Straßen rollten, hätte man den Krieg für ein Gerücht halten können.
    Am späten Vormittag erreichten sie, nachdem sie zwei weitere Kontrollpunkte hatten passieren müssen, ein Flusstal, wo Babi seine Tochter auf Ruinen in der Ferne aufmerksam machte, die aus uralter Zeit zu stammen schienen und rötlich unter der Sonne schimmerten.
    »Das ist Shahr-e-Zohak. Die rote Stadt. Sie war einmal eine Festung und wurde vor rund neunhundert Jahren errichtet, um das Tal vor Eindringlingen zu schützen. Der Enkel von Dschingis Khan hatte sie im 13. Jahrhundert einzunehmen versucht, wurde aber abgewehrt und getötet. Es war schließlich Dschingis Khan selbst, der sie zerstörte.«
    »Tja, meine jungen Freunde, das ist das Schicksal unseres Landes«, sagte der Chauffeur und schnippte eine Zigarettenkippe aus dem Fenster. »Ein Eroberungsfeldzug nach dem anderen. Mazedonier, Sassaniden, Araber, Mongolen. Und jetzt die Russen. Aber wir sind wie die Festungsmauern da drüben. Ramponiert und kein schöner Anblick, aber immer noch stehend. Hab ich nicht recht, badar ?«
    »So ist es«, antwortete Babi.
    Eine halbe Stunde später hielt der Fahrer an.
    »Kommt«, sagte Babi. »Kommt und seht euch das an.«
    Sie stiegen aus dem Auto. Babi streckte den Arm aus. »Da sind sie. Schaut.«
    Tarik schnappte unwillkürlich nach Luft. So auch Laila. Ihr war auf Anhieb klar, dass sie vor einem Wunderwerk standen,

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