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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Reden; sehr zu Unrecht zweifelst du daran, daß der Fürst der wahren Gläubigen das Glück, das er genießt, verdient. Er ist ein tugendhafter König, und er würde dir helfen, wenn er von deinem Elend unterrichtet wäre. Stelle seine Großmut auf die Probe, und du wirst sehen, daß er durch seine Tugend noch höher über den Menschen steht als durch seinen Rang.‹ Als ich das vernahm, o mein Herr,« fuhr der Sufi fort, »hielt ich in meinen Klagen inne, und heute morgen stellte ich mich vor dem Tore deines Palastes ein, um deine Großmut zu erproben, indem ich tausend Dinare von dir erbat.«
    Der Kalif brach ob dieser Rede in ein Gelächter aus, bewunderte die Schlauheit des Sufis und ließ ihm zweitausend Dinare geben. Mit diesem Gelde zog sich der Sufi alsbald zurück, und da er sofort begann, im Wohlleben zu schwelgen, so verfehlte er nicht, die Summe, obwohl sie ziemlich beträchtlich war, in sehr kurzer Zeit zu vergeuden.
    Kaum aber sah er sich wieder zu seiner einfachen Lebensweise gezwungen, so wandte er wiederum seine Listen an. Er erfuhr, daß der Kalif leidenschaftlich den Propheten Elias zu sehen wünschte, und daß er dem, der ihn ihm zeigen würde, eine hohe Belohnung bot. Mehr bedurfte es nicht, um den Sufi dahinzubringen, daß er sein Gewerbe übte. Er suchte Harun auf und sprach zu ihm: »O Beherrscher der Gläubigen, ich werde dir in drei Jahren den Propheten Elias zeigen, wenn deine Hoheit mir bis dahin ein Jahrgeld auswirft, von dem ich leben kann. Ich verlange eine gutbestellte Tafel und vier der schönsten Sklavinnen aus deinem Harem.« »Ich gewähre dir beides,« erwiderte der Kalif; »aber bedenke auch, was du mir versprichst. Ich warne dich; wenn ich in drei Jahren nicht den Propheten Elias sehe, so lasse ich dir den Kopf abschlagen.« Der Sufi fügte sich dieser Bedingung, denn er sprach bei sich selber: ›Der Kalif wird mir meinen Trug vergeben, oder es wird sich irgend etwas ereignen, was bewirkt, daß er in Vergessenheit gerät. Inzwischen werde ich drei Jahre in Überfluß und in Freuden verleben.‹ Harun ließ ihm ein Gemach im Palast anweisen und gab Befehl, daß ihm nichts von allem, was er begehren würde, verweigert werden sollte.
    Die drei Jahre nun verstrichen, und da der Kalif den Propheten Elias immer noch nicht gesehen hatte, so sprach er zu dem Sufi: »Wir haben vereinbart, daß ich dir den Kopf abschlagen ließe, wenn ich nach drei Jahren nicht den Propheten Elias sehen würde. Die drei Jahre sind verstrichen, du hast mir Elias nicht gezeigt, und also mußt du sterben.« Da nun der Sufi auf diese Worte nichts zu erwidern hatte, wurde er in den Kerker geworfen, und eben stand der Henker im Begriff, ihm sein Leben zu nehmen, als es ihm gelang, die Wachsamkeit seiner Wächter zu täuschen und zu entschlüpfen. Er verbarg sich auf dem Totenacker in einer Höhle, deren Eingang ihm bekannt war.
    Dort überließ er sich den grausamsten Gedanken, als plötzlich ein weißgekleideter Jüngling von herrlicher Schönheit vor seinem traurigen Blick erschien und ihn fragte, was ihn gezwungen hätte, sich an einem solchen Orte zu verbergen. Der Sufi erwiderte aber auf diese Frage nur durch einen Seufzer. »Fürchte nichts,« fuhr der Jüngling fort; »ich komme nicht hierher, um dir ein Leid anzutun. Ja, ich bin gesonnen, dir zu dienen. Nenne mir den Gegenstand deiner Sorge und des Schreckens, den ich in deinen Augen lese; vielleicht kann ich dir mehr von Nutzen sein, als du denkst.«
    Obwohl nun der Sufi allen Grund hatte, jedem zu mißtrauen, fühlte er doch irgendwie ein Vertrauen in sich keimen, das jegliche Befürchtung vertrieb. Er erzählte dem Jüngling alles, was zwischen ihm und Harun al-Raschid vorgefallen war; und als er geendet hatte, ergriff der Jüngling das Wort und sprach zu ihm: »Ich habe von diesem Abenteuer bereits vernommen, und ich will dir offen sagen, daß ich nicht umhin kann, dich zu tadeln; der Könige darf niemand spotten. Freilich sind sie auch nur Menschen, aber Gott hat sie über die andern gestellt; wir sollen sie auf Erden als die vollkommensten Abbilder seiner göttlichen Allmacht ehren; und wer sie betrügt, der begeht ein Verbrechen, das die schwerste Sühne verdient. Trotzdem aber will ich dir behilflich sein; folge mir, ich will den Kalifen für dich um Gnade bitten, und ich bin fest überzeugt, daß ich sie dir erwirken werde.«
    Durch diese Worte fühlte der Sufi sich vollkommen beruhigt; er folgte dem Jüngling; und als der ihn vor Harun

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