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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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al-Raschid geführt hatte, sprach er zu ihm: »O Beherrscher der Gläubigen, ich bringe dir den Sufi, der dich betrogen hat. Ich habe ihn aus dem Versteck geholt, in dem er sich verborgen hatte, und ich komme, um ihn deiner Gerechtigkeit auszuliefern; bestrafe ihn, denn er hat es verdient.« Der Sufi erstaunte in höchstem Staunen, als er seinen Führer also reden hörte. »O Himmel,« sagte er, außer sich vor Schrecken, »wie trügerisch aller Schein doch ist! Wer hätte den Zügen eines so schönen Jünglings nicht vertraut? Wer hätte ihn eines so schwarzen Verrats für fähig gehalten?«
    Der Kalif nun saß auf einem Lager, und sowie er den Sufi gewahrte, konnte er eine Regung des Grimmes, der ihn beherrschte, nicht unterdrücken. »O du Halunke,« rief er, »du Sünder, der du dich durch deine Flucht zum zweitenmal schuldig machtest, jetzt sollst du unter den furchtbarsten Qualen sterben.« Er hatte diese Worte im Tone der Wut gesprochen und sich dabei unter so heftigen Gesten bewegt, daß sein Lager, dessen einer Fuß kürzer war als die andern, umstürzte und ihn in seinem Sturze mitriß. »Gut,« sagte da der Jüngling, der den Sufi begleitete, »ein jedes Ding hat seine Ursach.« Ein Diener beeilte sich alsbald, den Kalifen wieder aufzuheben, und dabei faßte er ihn so hart am Arme an, daß er einen Schrei ausstieß. »Gut,« sagte der Jüngling, der schon einmal gesprochen hatte, »ein jedes Ding hat seine Ursach.«
    Als nun Harun al-Raschid sich wieder erhoben hatte, wandte er sieh dreien seiner Wesire zu, die anwesend waren, und sprach zu ihnen: »O Wesire, was sollen wir mit diesem Sufi beginnen ?« Da versetzte der erste Wesir: »O Beherrscher der Gläubigen, wir müssen diesen Betrüger vierteilen und an eine Zeltstange hängen, um die andern Menschen zu lehren, daß niemand Könige belügen darf.« Da ergriff der junge Führer des Sufis das Wort und sprach: »Dieser Wesir hat recht, denn ein jedes Ding hat seine Ursach.« Der zweite Wesir aber war nicht der Ansicht des ersten. »Ich wollte,« sprach er, »man kochte ihn lebendig in einem Kessel und würfe ihn dann den Hunden als Fraß vor.« Und als der Jüngling das hörte, sprach er: »Dieser Wesir hat recht, denn ein jedes Ding hat seine Ursach.« Der Kalif fragte schließlich auch den dritten Wesir, der wiederum anderer Meinung war. »O unser Herr,« sprach er, »das beste ist, wenn deine Hoheit ihm vergibt und ihn in Freiheit setzen läßt.« »Vortrefflich,« rief der junge Mann zum drittenmal, »ein jedes Ding hat seine Ursach.«
    »O Jüngling,« sagte da Harun, indem er den Führer des Sufis fest ansah, »weshalb hast du diese Worte so oft wiederholt? Meine drei Wesire waren sämtlich verschiedener Meinung, und trotzdem sagtest du, nachdem ein jeder von ihnen gesprochen hatte: .Dieser Wesir hat recht, denn ein jedes Ding hat seine Ursach.' Wenn du also sprachest, so steckte eine geheime Absicht dahinter, und also erkläre mir, was du meintest.« »O König,« erwiderte der Jüngling, »deine Hoheit ist gefallen, weil das Lager, auf dem du saßest, einen Fuß hat, der kürzer ist als die andern drei; und da ein Hinkender dieses Lager gemacht hat, so sagte ich alsbald: ›Gut, ein jedes Ding hat seine Ursach.‹ Der Diener, der dich aufhob und so hart am Arme packte, war der Sohn eines Gliedereinrenkers, und also sagte ich: ›Gut, ein jedes Ding hat seine Ursach.‹ Als dann der erste Wesir seine Meinung dahin abgab, daß der Sufi auf eine Zeltstange gesteckt werden müßte, sagte ich: ›Gut, ein jedes Ding hat seine Ursach‹, weil dieser Wesir der Sohn eines Fleischers ist. Die gleichen Worte wiederholte ich, als der zweite Wesir eine andre Meinung vernehmen ließ; denn da er der Sprößling eines Koches ist, so konnte er keinen Wahrspruch fällen, der besser mit seiner Herkunft im Einklang gestanden hätte. Der dritte aber, der dir anriet, Verzeihung zu üben, ist von edler Geburt, und deshalb sagte ich wiederum, daß jegliches Ding seine Ursach hat.
    O unser Herr,« fuhr der Jüngling fort, »nachdem ich dir diese Aufklärung gegeben habe, muß ich dir noch eine weitere geben. Erfahre, daß ich der Prophet Elias bin. Du sehnst dich seit so langer Zeit danach, mich zu erblicken, daß ich dir die Befriedigung deines Wunsches nicht abschlagen wollte. Aber bedenke auch, daß ich damit ein Versprechen erfülle, das der Sufi dir in seiner Verwegenheit gegeben hat.« Und kaum hatte der Jüngling also gesprochen, so war er auch schon

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