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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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verschwunden. Der Kalif freute sich in höchster Freude, weil er Elias gesehen hatte; er vergab dem Schuldigen und warf ihm sogar ein Jahrgeld aus, damit ihn die Not nicht länger zwänge, Schelmenstreiche zu begehen, um in Ruhe leben zu können.

Die Geschichte des Sultans Akschid
    Als Akschid, der Sultan von Ägypten, nachdem er hoch in die Jahre gekommen war, den letzten Tag seines Lebens nahen fühlte, versammelte er seine drei Söhne und sprach zu ihnen: »O meine Kinder, ich werde bald mit meinen Werken vor dem Gericht des Höchsten erscheinen; aber ehe der Engel des Todes das Haupt auf mein Kopfkissen legt, befehle ich euch, mein Begräbnis zu feiern. Ich will sehn, wie ihr es vollziehen werdet, wenn ich zu leben aufgehört haben werde. Befriedigt meine Neugier; befehlt auf der Stelle in meinem Namen all meinen Wesiren, daß sie eiligst all meine Nachbarn und Gefolgsleute unter den Khans und den Königen benachrichtigen, damit sie sich zu dieser Feier einfinden. Nichts möge fehlen, und sie möge mit demselben Prunk stattfinden, als wenn ich schon aus der Welt geschieden wäre.« Die drei Prinzen brachen ob dieser Worte in Tränen aus, doch sie schickten sich alsbald an, dem König, ihrem Vater, zu gehorchen.
    Die Wesire erließen alle Befehle, die für ein so trauriges Fest geboten waren, und auch der Tag der Feier wurde festgesetzt. Die Beis trafen alle Zurüstungen, die von ihnen erwartet wurden, und als der Tag nahte, war demgemäß alles bereit. Der ganze Palast wurde mit Trauerfarben behangen; auf dem großen Platz stellte man all die Krieger der Leibwache in Schlachtordnung auf, und es waren ihrer fünfzigtausend Mann; und nachdem ihnen in goldenen Beuteln der Sold gereicht worden war, traten all die Beis in das Gemach des Sultans, der auf seinem Lager lag; sie nahmen ihn und trugen ihn auf einen Thron, vor dem vier Wesire unter einem prachtvollen Baldachin, der von vier Prinzen, den Söhnen von Königen, getragen wurde, einen Sarg niedersetzten.
    Dann begannen sechs Beis überall Erde auszustreuen, die dem Palast entnommen und mit unendlich vielen kleinen Stücken Taft in allerlei Farben untermischt war. Und schließlich kamen die drei Söhne des Königs und schmückten den Sarg mit einer unermeßlichen Fülle von Edelsteinen, um ihn schließlich mit Akschids Krone zu krönen, die mit großen, blendenden Diamanten eingelegt war.
    Als dann in dieser Weise alles gerüstet war, ergriffen vier große Khans, das heißt vier freie Fürsten der Tataren, den Sarg an seinen vier Füßen und hoben ihn auf ihre Arme. Vor dem Sarge schritten, Psalmen singend, die Scheichs oder Gelehrten einher. Denen folgten die Sahids oder Einsiedler, deren einer auf einer gesattelten Kamelstute ritt und mit großer Ehrfurcht den Koran trug. Die Fürsten und Königssöhne, die Khans und ihre Sprößlinge schritten neben dem Sarg einher, und unmittelbar hinter ihm folgten zweihundert Tamburinschläger, die eine Trauerweise schlugen und Verse zum Ruhme des Königs sangen; und plötzlich unterbrachen sie sämtlich ihre Gesänge und riefen mit lauter Stimme: »O grausames Schicksal! O Tag des Unglücks! Der König, der gerechteste aller Könige, der Eroberer der Reiche, der Vernichter der Feinde und der Ernährer der Freunde, ist tot!« Nach diesem Ausruf warfen sie mit vollen Händen schwarzgefärbte Mandeln auf den Sarg.
    Hinter diesen Tamburinschlägern aber folgten fünfzig Wesire in langen schwarzen und blauen Trauergewändern; und hinter ihnen wieder kamen die Beis, die in den Händen zerbrochene Bogen trugen. Und denen wieder folgten zehntausend Kamele mit goldenen Sätteln und Zügeln; allen waren die Schwänze beschnitten, und zehntausend schwarze Sklaven in blauem Linnen führten sie am Halfter. Den Schluß des Zuges aber bildeten sämtliche Sklavinnen aus dem Harem, die sich die Gesichter schwarz und blau bestrichen hatten; ihr Haar war gelöst, und sie schrien und heulten furchtbar.
    Ob dieses Schauspiels stieß der alte Akschid einen tiefen Seufzer aus und rief: »Ich habe mein Leichenbegängnis schon vor dem Tode gesehen!« Dann befahl er, daß man ihm hülfe, vom Throne herabzusteigen, und als er herabgestiegen war, hob er eine Handvoll von jener Erde auf, die die Beis gestreut hatten, rieb sich Kopf und Bart damit und sprach: »Die Erde bedecke einen Mann wie mich, der während seiner langen Regierung nichts vollbracht hat, wessen die Nachwelt gedenken könnte.« Damit wandte er sich seinen Wesiren zu und sprach zu

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