Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
sie das nicht besänftigt, soll ihnen Immerschlaf in meinem Namen ein Wörtchen ins Ohr flüstern, und ich denke, sie werden es nicht wiederholen; Feueratem soll alles, mit Ausnahme des Hauses, in dem wir in aller Ruhe zu Mittag speisen wollen, anzünden. Sollten sich die Lümmel nun zusammenrotten und nach uns mit Steinen werfen, so mag Wolkengreifer sich auf die erste beste Wolke setzen, nach vielen andern suchen und sie alle zusammenbringen und uns mit seinem Haufen folgen; er soll tausend Ladungen Hagels auf das Haupt der Unzufriedenen herabsenden, wir aber werden dafür sorgen, daß ihm sein gut Teil am Mittagsmahle aufgehoben wird!« Da sprach Trinkaus: »Bei Mohammed, niemals wurde ein Unternehmen mit weiserer Vorsicht geplant!« »Du bist also damit zufrieden, o mein Derwisch?« fragte Bergspalter, »ich denke, daß es jedermann sein darf! Auf nun, rücken wir vor! O Immerschlaf, trommle sachte, wie wenn man zur Hochzeit geht!« Der Trommelschläger gehorchte, und die Schar setzte sich in bester Ordnung in Bewegung.
Als sie zwei Meilen von dem Marktflecken entfernt waren, befahl Bergspalter Scharfblick, zu beobachten, was bei der Feier vor sich ginge, und zu sehen, ob man das Mahl nicht gar zu bald auftrüge. In drei Minuten kam der Bote zurück. »Es sind Götzendiener«, sagte er, »und opfern vor einem hölzernen Götzenbilde ein schönes Kalb mit vergoldeten Hörnern, das in spätestens einer Stunde gebraten sein wird.« »Bei Mohammed,« sprach Bergspalter zu Trinkaus, »bist du nicht sehr entzückt? Wir bekämpfen den Götzendienst; du bist beauftragt, das Götzenbild zu vernichten, beschwöre es nur recht mit deinem Buche, ich lege es dir ans Herz ... Eine Heirat wird vor einem Götzenbilde geschlossen und ohne Kadi! Solches gilt nicht; ich will das junge Wesen nach muselmännischem Brauche freien, um es auf den rechten Weg zu bringen!«
Während solcher Gespräche wurde der Marsch fortgesetzt, und man kam näher; endlich stand man in dem Marktflecken gerade vor dem Hause, wo sich die beiden Familien vereinigt hatten; Bergspalter ging hinein, als wäre es sein eigenes Haus, und sagte:
»Wie, man verheiratet sich hier, ohne es mich wissen zu lassen, und setzt sich ohne mich zu Tisch?« Man kann sich das Erstaunen der biedern Landleute ausmalen; wortlos sahen sie einander an und betrachteten zitternd den geharnischten Mann, der solcherart zu ihnen redete. »Wir sind verloren,« riefen sie aus, »es ist Bigstaf, der Gewalthaber, in eigener Person!« »Das ist gelogen, ihr Gesindel, es gibt hier keinen Gewalthaber; für wen haltet ihr mich? Wißt, daß ich der Bräutigam der Schönen da bin und daß sie wahrlich keinen andern haben soll.« Indem er also sprach, faßte er sie am Arme; der Bräutigam aber und die Eltern eilten herbei, um sie seinen Händen zu entwinden; mit einer Maulschelle und zwei Püffen streckte er sie jedoch zu Boden. Alle griffen jetzt nach Stöcken und Messern und Hausgerät und was ihnen gerade zur Hand kam, um es auf den Räuber zu werfen; aber ganz plötzlich fing Immerschlaf an zu niesen. Dies aber war eine seiner Gaben, die Bergspalter noch nicht kannte; der wurde so bestürzt darüber, daß er seine Beute hätte fahren lassen, wäre er weniger auf sie versessen gewesen. Indessen wurden Männer und Frauen und alles, was in dem Hause war, dadurch niedergeworfen, und das Haus, das nicht allzu fest gebaut war, wankte in den Fugen.
Als Bergspalter sich von seinem Staunen erholt hatte, sagte er zu seinem schmetternden Gesellen: »Auf denn, befreie mich von diesem ganzen Haufen Gesindel und wirf alles, was allzuweit von der Türe entfernt liegt, aus dem Fenster.« Immerschlaf war willig und säuberte das Haus von seinen Gästen. Und es blieb nur noch die junge Braut da, die, wie die andern, halbtot vor Schrecken hingefallen wäre, wenn sie nicht der kraftvolle Hauptmann gestützt hätte. Währenddem hallte der ganze Marktflecken von Feuerrufen und Geschrei und Lärm wider. Da sagte Bergspalter zu Immerschlaf: »Auf denn, es ist nicht an der Zeit zu schnarchen; unsere Gefährten könnten sich in all dem Trubel verlieren, du mußt sie zusammentrommeln.« Der Trommler kommt dem Befehle nach, die Leutchen finden sich zusammen, und das Hochzeitsmahl wird vertilgt.
Die junge Braut sah sich gezwungen, inmitten dieser Gesellschaft zu bleiben und Bergspalters rohe Liebkosungen zu erdulden; hörte aber nicht auf mit Weinen. »Welche Freude wird es mir machen, dich zu trösten,« sagte der
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