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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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daß ein unwürdiger Sohn das Unglück meiner Mannesjahre und nun die Qual meines Alters ist!«
    »Nehmt den Ehrenmann«, sagte der Kalif darauf, »und reicht ihm unverzüglich tausend Golddinare!« Abermals sahen sich die Imame und Emire und Großen des Eeiches verwundert an, doch wagten sie nicht, die Ursache solcher höchst auffälligen Aussprüche des Kalifen zu erforschen.
    Nachdem sie aber der Kalif einige Augenblicke mit höchstem Wohlgefallen angesehen hatte, stand er von seinem Throne auf und sprach also: »Die Urteile, die ich eben gesprochen habe, scheinen manchen von euch, o Muselmänner, hart und streng und allen unerklärlich zu sein, hört daher meine Beweggründe und erkennt die Güte und Gerechtigkeit eures Gebieters. Es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein Prophet. Dürfen sich Muselmänner in heftigen Klagen gegen Allah ergehen, weil sie Kummer und Verdruß haben, den sie selbst abstellen können? Soll der hochheilige Prophet mit Klagen und Tränen beschwert werden, welche die Faulheit und der Kleinmut seiner Diener allein verursachen? Der Fall des ersten Mannes, den ich mir vorbringen ließ und nach Verdienst bestrafte, klagte die Güte der Vorsehung und gleichzeitig die Gerechtigkeit meiner Herrschaft eines Übels wegen an, das er tatsächlich selbst hätte beseitigen können. Hat er nun zugestandenermaßen einen bösen, ungerechten Nachbarn, konnte er da nicht seinen Wohnort ändern und an andrer Stelle sein Kaufmannsgewerbe treiben? Ebenso unangebracht war das Wehgeschrei des zweiten: weshalb denn Allah und seinen Propheten anrufen, wenn es bei ihm selbst stand, seinen Leiden ein Ziel zu setzen? Er hatte ein böses und ruchloses Weib; warum geht er denn da nicht unverzüglich zum Kadi, läßt ihr einen Scheidebrief geben und schickt sie fort?
    Was aber den dritten Mann angeht, so prüft euer eignes Herz und kennt meine Gerechtigkeit an. Wer kann einem, ungeratnen Kinde entgehen? Welcher Wohnungswechsel, welche richterliche Entscheidung vermag uns von solchem Herzeleid zu befreien ? Unaufhaltsam folgt es uns und quält uns in der Einsamkeit und vergiftet unser Mahl und scheucht den Schlaf von unserm Pfühl. Mitleid ist die geringste Gnade, die wir in solchen Fällen erteilen können, und Freigebigkeit nicht mehr als Gerechtigkeit!«
    Die Imame und Emire und Großen des Reiches aber waren nicht länger verwundert und priesen laut die Weisheit des Kalifen.

Die Geschichte von dem Manne und dem Geiste
    Ein sehr einfältiger Mann hatte das Unglück, mit einem garstigen Weibe verheiratet zu sein, das obendrein noch sehr boshafter und hadersüchtiger Gemütsart war. Nach langjährigen Qualen nun war die Geduld des Mannes endlich erschöpft; er wünschte ihr oft den Tod, aber vergebens. Schließlich faßte er eines Tages den Plan, sie an die Meeresküste zu bringen und sich ihrer auf einmal zu entledigen, indem er sie in das Meer stürzte. Er sprach daher zu seinem Weibe: »Komm, o mein Stern, laß uns zusammen an die Mündung unseres Baches ins Meer gehen und unsere Gewänder dort waschen!«
    Er packte die Kleidungsstücke auf seinen Rücken, und sie gingen wohlgemut dem Bache zu; während die Frau nun mit dem Waschen der Gewänder beschäftigt war, paßte der Mann eine günstige Gelegenheit ab und stieß sie ohne viel Umstände in das Meer. Nachdem er solches getan hatte, hielt er es für ratsamer, sein Land zu verlassen und sein Glück anderswo zu versuchen.
    Eines Tages auf seiner Wanderschaft aber trat ein Geist vor ihn hin, der so erstaunlich groß war, daß, obwohl seine Füße auf dem Erdboden standen, sein Kopf bis in die Wolken hineinragte; der nun reckte seine Arme aus, griff den Unglücksmann beim Nacken und fragte ihn, welche Todesart er für sich vorzöge.
    Und der Geist sprach zu ihm:»O Brüderchen, soll ich dich gegen die Felsen schmettern oder in Stücke hauen oder ins Meer werfen ?« Der Unglücksmann erwiderte darauf:»O mein Gebieter, was für ein Verbrechen habe ich denn begangen?« »Was für ein Verbrechen,« entgegnete der Geist, »tust wohl gar, als wenn du es nicht wüßtest?« »Nein, bei meinem Leben, o Herr, ich weiß es nicht«, versetzte der Mann. »Warst du es nicht,« fuhr der Geist fort, »o mein Freundchen, der den alten Drachen, die scheußliche alte Sau, ins Meer warf? Warst du es nicht, der die Fluten des Meeres mit ihrem Aase verunreinigte und die Geister der Tiefe nötigte, vor dieser Verpestung ihre Wohnsitze zu verlassen?« Da sagte der Mann: »Wie, auch du

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