Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
er den Magen zufriedenstellt!« Und er ließ es sich gut schmecken; hernach aber rief er wie zur Danksagung aus: »Gelobt von seinem Volke sei Allah, der Allmächtige!«
Da raunte der Kalif seinem Wesir zu: »So gelingt es nicht, wie kann ich einen Mann schlagen, der so vernünftig redet; findest du keinen schicklichen Vorwand, daß ich ihm den Hieb heimzahlen kann, schlage ich dich wahrlich tot!« Sagte der Wesir dagegen: »O mein Fürst, wenn er sich vom Mahle erhebt und dann die Hände waschen will, mußt du so tun, als wolltest du ihm diensteifrig das Wasser selbst aufgießen; sagt er dann: ›Um keinen Preis, o Herr, Allah verhüte, daß du dich selbst so erniedrigen sollst, wahrlich, solches darf nicht sein!‹ so kannst du ihm für diese unpassende Weigerung sicherlich einen derartigen Hieb versetzen, wie es dir beliebt, und dazu sagen: ›O Freund, soll ich erst von dir lernen, welches meine Pflicht ist? Unterstehst du dich, mir zu widersprechen?‹Der Sultan willigte darein; und als der Gast zum Händewaschen aufstand, trat der Herrscher alsogleich herzu und ergriff das Gefäß, um seinem Gaste Wasser über die Hände zu gießen. Sagte der Fremde: »Allah segne dich, o Herr; ich bin entzückt ob deiner Herablassung; möge der Himmel alle deine Unternehmungen segnen!« Nach solchen Worten sah sich der Fürst gezwungen, dem Gaste wirklich Wasser über die Hände zu gießen, ließ sich jedoch dabei deutlich merken, daß er im Innern darüber ärgerlich und erbost war.
Danach wurde der Kaffee herumgereicht; der Kalif aber sprach noch einmal leise mit seinem Wesir und sagte: »Wenn du nicht sofort ein Mittel zu meiner Befriedigung ersinnst, gebe ich auf der Stelle Befehl, dich aufzuknüpfen; solches schwöre ich bei Allah. Nicht genug, daß mich der Mann gezüchtigt hat, ich muß mich auch noch so erniedrigen und ihm Waschwasser über seine Hände gießen!« Der Wesir erwiderte: »O Herr, er muß sich nun bald entfernen, halte dir einen Bambusstock in Bereitschaft, rufe deiner jüngsten Sklaven einen, und wenn der Fremde fortgehen will, so laß deinen Stock kräftig auf dem Rücken des Sklaven tanzen; sagt der Fremde dann: ›Um Allahs und um meinetwillen, o Herr, verzeihe dem armen Sklaven und züchtige ihn nicht so unbarmherzig!‹ so kannst du ihm den Schlag zurückgeben und dabei sagen: ›Ist das nicht mein Sklave, o Herr? Ist Züchtigung nicht zur Erziehung nötig? Unterstehst du dich, mir zu widersprechen?‹«
Abermals tat der Kalif nach dem Rate des Wesirs und schlug den Sklaven, als sich der Fremdling entfernen wollte. Der aber sagte hierzu: »Sehr recht, o Herr, handelst du; schlag ihn nach Nöten. Züchtigung ist das beste Erziehungsmittel, und sollte der junge Sklave dabei des Todes sterben, so ist das Allahs Wille!« Jetzt trat aber der Wesir ungeduldig an den Fremden heran und sprach zu ihm: »Um Gottes willen, Freund, habe doch wenigstens etwas Mitleid und tritt für den armen Sklavenjüngling ein, du kannst doch nicht so hartherzig sein!«
Auf solche Worte versetzte der Fremdling dem Wesir einen Schlag, der noch zehnmal kräftiger war als der, den der Sultan erhalten hatte, und sagte: »Wie, wagst du es, dich in solche Sachen zu mischen? Ist der Bursche nicht ein Sklave, und erzieht ihn sein Gebieter nicht väterlich?«
Da brach der Sultan in ein schallendes Gelächter aus und sprach: »Nun verzeihe ich euch beiden, nachdem es meinem Wesire nicht besser ergangen ist als mir selbst!«
Die Geschichte von den drei Derwischen
Drei Derwische verabredeten einst eine Reise miteinander und traten daher an einen Schiffseigner heran, der von Syrien nach Zypern segeln wollte, und baten ihn um einen Platz auf seinem Schiffe. Der hatte nichts dagegen, verlangte jedoch, daß ihm jeder Derwisch einen Golddinar dafür zahlen sollte.
Der älteste der Derwische sagte zu ihm: »Nein, wir können dir unmöglich Geld dafür geben!« »Und warum nicht?« fragte der Eigner. »Weil wir heilige Männer und gewisser göttlicher Gaben teilhaftig sind!« antwortete der Derwisch. Der Eigner entgegnete: »So laßt doch hören, was solches für göttliche Gaben sind!« »Nun, ich bin imstande, einen Gegenstand in der Entfernung einer Jahresreise zu erkennen!« sagte der älteste der Derwische. »Ich aber«, rief der zweite Derwisch, »kann ebensoweit hören, wie unser Bruder sieht!« Darauf fragte der Eigner den dritten Derwisch: »Und du, welche göttliche Gabe besitzest du denn?« »O Herr,« antwortete der, »ich
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