Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
nicht zufrieden mit dem, was man gegessen hatte, wünschte, daß jedermann noch reichlich mit sich nähme.
Als man das Essen, das sehr lange währte, beendigt hatte, wurden die Betten hergerichtet, die ganz dem Prunke entsprachen, den man gesehen hatte. Die Decken und Laken aber waren mit Gold verbrämt; und als man zum Schlafengehen bereit war, erklärte der Derwisch der ganzen Schar, daß seine Edelknaben verkleidete Mädchen wären, die er zu ihrer Lust bestimmt hätte. Jeder wählte sich die aus, die ihm am besten gefiel, und legte sich zu Bett. Und Schlaf folgte ihren Vergnügungen; wie groß aber war ihr Erstaunen beim Erwachen am folgenden Morgen, als sie sich in einem verfallenen Gemäuer befanden, auf der Erde liegend, nur mit einer alten Binsenmatte zugedeckt, einem Steine als Kopfkissen und einem dicken Holzscheite an ihrer Seite. Ihre Gewänder lagen zerstreut um sie herum in dem Zustande, in dem sie sie von sich getan hatten.
Mit vieler Mühe arbeiteten sie sich aus dem Gemäuer heraus und durch die Schlammlöcher, die es umgaben, und vernahmen beim Verlassen des Turms eine Stimme, die ihnen zurief: ›Macht euch ein anderes Mal nicht wieder über einen Schweigsamen lustig!‹
Der Scheich war entzückt ob Jahias Geschichte, lobte seine Erzählerkunst sehr und trank mehrere Gläser Paradiesweines auf Jahias Gesundheit, dem soviel Güte den Atem benahm. Darauf drückte er ihm die Hand und sprach zu ihm: ›O mein Sohn, sei mir gegenüber so aufrichtig, daß sich dein Gesicht wie eine Rose öffnet, und sei dankbar, wie ich es gegen Allah gewesen bin; von ihm habe ich dich erbeten, und er hat dich meinen Bitten gewährt. Setze Vertrauen in Allah, setze Vertrauen in seine Diener, die seine lebenden Abbilder sind; eifere dem Kaufmanne nach, von dem die Bücher der Wunder sprechen. Seine Geschichte will ich dir jetzt erzählen:
Die Geschichte des Kaufmanns aus Bagdad
Ein Kaufmann, der Handelsgeschäfte halber nach Indien reisen wollte, verkaufte all seine Habe und verließ sein Land mit dem Gelde, das er hatte zusammenbringen können. Nachdem er sich Allah empfohlen hatte, dessen treuer Diener er war, reiste er anfangs ziemlich glücklich, ohne daß ihm ein Unglück zustieß; aber schließlich, wenige Tagereisen vor Masulipatan, wurde er von Räubern überfallen, die ihm nichts ließen. So sah er sich denn in die bittere Notwendigkeit versetzt, sich mit Almosen bis nach der Stadt durchzubetteln.
Als er dort angekommen war, erkundigte er sich sorgfältig nach der Wohnung des reichsten Kaufmanns der Stadt und ging zu ihm. Er erzählte ihm sein Unglück und bat ihn um tausend Dinare. Der wollte wissen, ob er Pfänder bieten oder welche gute Sicherheit er ihm geben könnte. Der Kaufmann aus Bagdad aber antwortete ihm: ›Die Diebe haben mir nichts gelassen, aber du sollst mit meiner Sicherheit zufrieden sein; Allah haftet dir für alles, was du mir leihen wirst!‹ Den Kaufmann von Masulipatan rührte dieser Bescheid, und er streckte ihm tausend Dinare auf den einfachen Schuldschein hin vor, auf den allerdings geschrieben wurde, daß Allah für diese Summe bürge.
Der Kaufmann aus Bagdad reiste ab und zog aus dem geborgten Gelde so großen Nutzen, daß er sich am Jahresschlusse mit fünftausend Dinaren Verdienst in Ormus befand. Und er würde aufgebrochen sein, um den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, deren Erfüllungsfrist vor der Türe stand; aber unglücklicherweise fiel sie in die schlechteste Jahreszeit, und er konnte keinen Schiffsherrn finden, der sich den Gefahren des Meeres aussetzen wollte, und wurde so traurig über solch widrigen Zufall, daß er vor Kummer erkrankte. Schließlich setzte er all sein Vertrauen in Allah, nahm ein Holzscheit, höhlte es aus und steckte die tausend Dinare und ebenso ein Schreiben an den Kaufmann in Masulipatan hinein, dessen Schuldner er war. Sehr sorgsam packte er das Stück Holz ein und warf es ins Meer, indem er sagte: ›O Allah, du bist mein Bürge; sorge bitte dafür, daß der dieses Geld empfängt, der es mir auf die Treue deines heiligen Namens geborgt hat!‹ Durch die Genugtuung, seine Pflichten erfüllt zu haben, erlangte er seine frühere Gesundheit wieder. Allah wollte seine Bitte wohl erfüllen, und am gleichen Tage segelte der Kaufmann aus Masulipatan zu seiner Belustigung in einem Boote auf dem Meere und erblickte ein Stück Holz, dessen Form ihm merkwürdig erschien. Einige seiner Sklaven wollten es fassen, aber es entwischte ihnen stets,
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