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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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täuschen? Mein Hab und Gut kann niemanden reizen; und ich bin nicht schön genug, daß er etwas anderes mit mir vorhaben könnte: sehen wir zu, wie alles dies ausgehen wird!‹ Der Wein, der bei Leibesstrafe in Klöstern verboten ist, überraschte Jahia am meisten; infolgedessen sah er immer nur auf die kostbaren Gefäße, die ihn enthielten. Der Scheich aber erriet seine Gedanken und sprach zu ihm: ›‹Glaube nicht, o mein Sohn, daß ich es über mich bringe, Wein zu trinken; ich habe ihn nur für dich holen lassen. Der Wein, den wir Scheichs trinken, ist Paradieswein. Man soll mir welchen bringen!‹ befahl er. Alsbald reichte man ihm eine goldene Flasche dar. Dann setzten sie sich zu Tische, und als sie beim Essen waren, gab ihm der Scheich von diesem Weine zu kosten. Er fand, daß er einem Scherbett ähnelte, dem Zucker, Ambra und Moschus beigemischt sind, der daher viel angenehmer als Wein riecht. Je mehr Jahia an die überraschenden Dinge dachte, desto klarer wurde es ihm, daß der Scheich alle anderen Wunder übertraf. So kam denn auch nichts der Ehrfurcht gleich, mit der er ihn behandelte. ›Warum‹, sprach der Scheich zu ihm, ›bist du immer so gedankenvoll, anstatt dich der Freude hinzugeben?‹ ›O Gebieter,‹ entgegnete ihm Jahia, ›das Übermaß deiner Güte setzt mich in Erstaunen, ich fürchte immer, daß mein Glück nur ein Traum ist, und muß stets an eine Geschichte denken, welche einige Ähnlichkeit mit meiner Lage hat!‹ ›Ich liebe Geschichten‹, nahm der Scheich das Wort, ›und finde, sie vermehren die Tafelfreuden!‹ Und er drängte ihn, sie zu erzählen, und Jahia hub nun mit folgenden Worten an:

Die Geschichte eines Derwisches
    Mustapha Pascha Stambol Effendi oder Profoß von Konstantinopel hatte mehrere Male nacheinander eine große Zahl seiner Freunde zum Essen zu sich geladen. Es gab unter dieser Schar einen Derwisch, der für einen Mann von Verstand galt, obwohl er niemals ein einziges Wort geäußert hatte, welches Gespräch man vorher auch anknüpfte. Sein Schweigen erschien so wunderlich, daß es oft allen Gästen zur Belustigung diente, die darüber gar ihre Witze machten. Man war daher sehr erstaunt, als der Derwisch nach geraumer Zeit die Stimme erhob und alle beim Mahle Anwesenden bat, einen Tag zu bestimmen, an dem sie bei ihm essen und sich belustigen wollten. Die Befürchtung, schlecht dabei wegzukommen, stimmte die Schar nachdenklich, und als sie den Vorschlag annahm, bat man ihn gleichzeitig, einiges Geld annehmen zu wollen, welches ihn in den Stand setzen sollte, Ausgaben bestreiten zu können, die scheinbar über seine Verhältnisse gingen; er wies es aber zurück; man setzte den Tag fest und bat ihn um Auskunft, wo man sich einzufinden habe. Antwortete er, sie würden ihn in der Moschee des Sultans Mehemmed treffen, er wolle sie dann geleiten.
    Man kam pünktlich zum Stelldichein; vorsichtshalber kaufte man auf dem Wege einige Vorräte ein, um dem mäßigen Mahle, das man bei dem Derwische vorzufinden meinte, aufzuhelfen. Der erschien zur bestimmten Stunde in der Moschee. Man war erstaunt, ihn so sauber gekleidet und mit einem Schurz von indischem Gewebe geschmückt zu sehen. Er empfing die Schar mit äußerster Liebenswürdigkeit und führte sie zu sich. Sein Haus nun schien ein wahrhafter Palast zu sein; und als man an die Türe kam, sah man dreißig Edelknaben herauskommen, welche die Gäste unterfaßten und ihnen beim Steigen in ein Gemach behilflich waren, dessen Ruhebetten Goldbrokat bedeckte. Dieselben Pagen gingen dann voraus und ließen sie in ein andres, noch prächtigeres Gemach eintreten. Man stellte dann vor jedem eine silberne Kohlenpfanne auf, deren Schaufel und Zange aus gleichem Metalle bestanden. Nachdem man Platz genommen hatte, sah man sich ebenso beschämt wie verwirrt an und erinnerte sich, daß man in einen so köstlichen Palast Lebensmittel mitgebracht habe; man kam überein, sie, ohne daß es der Derwisch bemerkte, aus dem Fenster werfen zu wollen. Einige Zeit darauf richtete man sieben silberne Tische her; die Tischtücher, mit denen man sie bedeckte, bestanden aus Goldgewebe. Man reichte das Essen auf dem herrlichsten chinesischen Porzellane dar. Auf jeden Tisch stellte man dreißig verschiedene Schüsseln, und die Pagen ließen sich keine Gelegenheit entgehen, bei der ihre Dienste als angenehm empfunden werden konnten. Der Nachtisch war noch üppiger als alles Vorhergehende. Das Eingemachte war unübertrefflich, und der Derwisch,

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