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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Ketten gelegt; laß uns sofort sterben,‹ fuhren sie fort, ›der Tod macht wenigstens allen unsern Leiden ein Ende!‹ Der junge Mann aber antwortete ihnen: ›Ihr tragt die Ketten nur, bis ihr Reue über eure Fehler und Liebe zum frommen Leben gezeigt habt; der Scheich hat euch nur Wein zum Trinken vorgesetzt, um euch zu prüfen. Und das nicht allein, er hat euch auch noch Frauen angeboten, und ihr habt sie mißbrauchen wollen. Zur Strafe für solch entsetzliche Vergehen liegt ihr in Eisen; ich kann nur jede Nacht einen freimachen, seid also ruhig; ihr werdet schon an die Reihe kommen‹, sagte er zu den andern. Hierauf nahm er einen und führte ihn fort.
    Meimune sprach zu Jahia, den alles, was er sah, in große Besorgnis setzte: ›Der Scheich kommt in das Zimmer zurück, in dem wir waren; wir müssen es schleunigst wieder aufsuchen.‹ Jahia ließ sich führen, und sie legten sich wieder zu Bett; einige Augenblicke später sah er den Scheich tatsächlich wieder eintreten; er war nun im Nachtkleide und bereit, zur Ruhe zu gehen, und sprach zu Meimune mit schrecklicher Stimme: ›Nun ist es Zeit, den, der bei dir schläft, ins Gefängnis zu bringen.‹ Sie antwortete ihm, er könne sich auf sie verlassen, sie würde ihre Schuldigkeit tun. Der Scheich rief nun seinen jungen Diener und hieß ihn eintreten, was er auch alsogleich tat. Er erschien mit einem Schurzfell und großen Messern, die an seinem Gürtel hingen, und führte den Gefangenen mit sich, den er soeben aus dem Kerker geholt hatte, nachdem er ihm vorsichtshalber einen Knebel angelegt hatte, um ihn am Schreien zu verhindern.
    Auf des Scheichs Befehl entblößte er ihn bis zum Gürtel; dann versetzte er ihm einen Dolchstich, der ihn vom Nabel bis zur Kehle aufschlitzte, und riß ihm das Herz heraus, schnitt es in zwei Teile und reichte es seinem Gebieter dar. Er säuberte und wusch dann den Platz auf, ehe er den Körper hinwegschaffte. Währenddem hatte der Scheich das Herz des unglücklichen Muselmanns genommen, trocknete es mit einem Schwamme ab und verschlang es ganz und gar; er sagte dann noch zu Meimune: ›Habe acht auf Jahia, du haftest mir mit deinem Kopfe dafür, daß er dir nicht entwischt!‹ Kaum hatte er solche Worte beendigt, als er ganz fest eingeschlafen auf das Ruhebett fiel.
    Als Jahia merkte, daß der Scheich nichts mehr vernehmen konnte, fiel er Meimune zu Füßen und beschwor sie, zu vollenden, was sie so wohl begonnen hatte, und ihm das Leben zu retten, indem sie ihm die versprochene Freiheit gäbe. Meimune wollte ihn prüfen und antwortete: ›Ich habe dir deine Befreiung versprochen, doch ich werde mich der Wut und der Rache des Scheichs nicht entziehen können. Die Höhe der Mauern und die Anlage des Hauses machen meine Flucht beinahe unmöglich!‹ ›Ich will nur mit dir frei sein,‹ sagte Jahia mit Lebhaftigkeit dawider, ›und will lieber sterben, als mich von dir trennen!‹ ›Weil du so edle und zärtliche Gefühle für mich an den Tag legst,‹ erwiderte ihm die schöne Sklavin, ›so will ich dich nicht verlassen und dich befreien oder mit dir sterben!‹ Diese süße Versicherung gab Jahias Hoffnung neuen Mut. Meimune kleidete sich alsogleich an, und er tat desgleichen; dann nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn in ein Zimmer, öffnete dessen Fenster und sprach zu ihm: ›Die Zweige dieses Granatapfelbaumes sollen uns helfen, in den Garten zu kommen. Ich will den Schlüssel zu einer kleinen Pforte holen, die sich dort befindet; bleibe hier, ich werde nicht lange auf mich warten lassen, und du kannst dich darauf verlassen bei der Liebe, die ich für dich fühle!‹
    Als sich Jahia allein befand, versank er in ein Meer von Gedanken. Die Furcht vor allem, was sich zutragen konnte, wenn Meimune es nicht gut meinte, die Gefühle, die ihn an sie fesselten, und das grausige Schauspiel, dessen Zeuge er gewesen war, erregten ihn fortwährend. Jedoch am meisten betrübte es ihn, keine Waffen da zu haben, um sich im Falle der Gefahr verteidigen zu können. Endlich erschien die schöne Sklavin mit zwei Bündeln unter dem Arme wieder; sie reichte ihm die Hand, um ihm beim Hinaussteigen aus dem Fenster behilflich zu sein, gab ihm dann die beiden Bündel hinab und sagte ihm, er solle noch einige Augenblicke unten am Baume warten. Es dauerte nicht lange, als er ein Geräusch hörte und den Baum sich bewegen sah, und bald wurde er durch die Stimme seiner süßen Meimune beruhigt, die ihm zuflüsterte: ›Laß uns fliehen, o mein

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