Tausend und eine Nacht, Band 4
neben einem Barbier, welcher Abusir hieß. Jener war ein großer Lügner und Müßiggänger; auch war ihm kein Diebstahl oder sonstiges Verbrechen zu schwer, als wäre sein Herz aus Pfeilern eines jüdischen Tempels gegossen gewesen; sooft ihm jemand etwas zu färben brachte, ließ er sich zuerst den Lohn geben unter dem Vorwand, er habe kein Geld, um Farbmaterialien zu kaufen; er verschwendete ihn aber sogleich für allerlei Leckerbissen; dann verkaufte er auch den Stoff, den er färben sollte, und wenn dessen Eigentümer ihn wieder verlangte, sagte er ihm: »Komme morgen, so früh du willst, findest du deinen Stoff gefärbt.« Kehrte aber der Eigentümer am folgenden Tag wieder, so sagte ihm Abukir: »Ich hatte gestern Abend Gäste, darum konnte ich nichts arbeiten; morgen, so Gott will, sollst du mit mir zufrieden sein.« Am dritten Tag hieß es: »Es tut mir leid, aber meine Frau ist gestern entbunden worden, da konnte ich sie keinen Augenblick verlassen.« So ging das fort mit Entschuldigungen, Versprechungen und Schwüren, bis endlich der Eigentümer ihm sagte; »Ich habe jetzt das viele Versprechen satt, gib mir meinen Stoff ungefärbt wieder.« Da erwiderte Abukir: »Bei Gott, mein Freund, ich schäme mich, die Wahrheit zu gestehen; aber Gott verdamme alle Diebe! Denke, ich hatte deinen Stoff noch an demselben Tag, wo du ihn mir brachtest, ausgezeichnet schön gefärbt und an ein Seil zum Trocknen aufgehängt; als ich aber danach sehen wollte, fand ich ihn nicht mehr.« War nun der Betrogene ein guter Mann, so sagte er: »Gott wird mir etwas anderes dafür schenken!« war er aber nicht so leichtgläubig, so stritt er eine Weile mit ihm, drohte ihn zu verklagen, konnte aber wenig dabei gewinnen. Bald wurde indessen Abukir in ganz Alexandrien so verschrieen, daß niemand mehr in seine Werkstätte kam, und nur Fremde oder Leute vom Lande brachten ihm hie und da etwas zu färben. Er hielt sich daher gewöhnlich in der Barbierstube seines Nachbarn auf, zeigte sich nur, wenn jemand Arbeit brachte, verbarg sich aber, so oft man kam, um dieselbe wieder abzuholen.
Eines Tages, als er wie gewöhnlich bei Abusir saß, kam ein Bote vom Kadhi und versiegelte seine Werkstätte. Es hatte nämlich ein Mann, dessen Waren Abukir verkauft hatte, sich an den Kadhi gewendet und ihn gebeten, alles, was in der Werkstätte sich vorfände, verkaufen zu lassen; da sich aber nur ein paar alte Wasserkrüge darin fanden, so ließ er die Werkstätte verschließen. Als Abusir dies sah, sagte er zu Abukir: »Wie kommt's, daß du alles verlierst, was die Leute dir zu färben bringen? Ist etwa deine Werkstätte ein Sammelplatz von Dieben?« – »Lieber Nachbar«, erwiderte Abukir, »ich will dir die Wahrheit sagen; mir ist niemals etwas gestohlen worden, sondern ich habe alles verkauft, was mir die Leute zum Färben brachten, weil mein Handwerk so schlecht geht, daß ich vom Färberlohn allein nicht leben kann.« Abusir fing hierauf auch an, über sein Geschäft zu klagen, und sagte: »Sieh, ich bin doch der beste Barbier in der Stadt, und doch kommen wenig Leute zu mir, weil ich arm bin; darum ist mir auch mein Handwerk zuwider.« Abukir versetzte: »Sowohl dein Geschäft, als das meinige ist gut, nur ist uns der Aufenthalt in Alexandrien nicht günstig; laß uns zusammen in die Welt reisen, wir können uns überall besser als hier ernähren; gedenke der Worte des Dichters:
»Verlasse die Heimat, wenn du nach Ruhm dürstest. Auch gewährt dir das Reisen Zerstreuung, Reichtümer, Wissenschaft und Bildung; scheue nicht Mühe und Sorgen, Trennung und Gefahr: Der Edle stirbt lieber, als daß er in Verachtung lebe zwischen Neid und Bosheit.«
Abusir ließ sich von Abukir überreden und schiffte sich mit ihm fast ohne Vorrat nach einem entfernten, ihnen ganz unbekannten Land ein. Zu ihrem Glück war auf dem Schiff, welches hundertundzwanzig Kaufleute trug, kein einziger Barbier, so daß es Abusir nicht an Arbeit fehlte, wofür er von dem einen Geld, von dem anderen Lebensmittel und von dem dritten süßes Wasser erhielt. Ihrer Verabredung gemäß teilte er alles mit Abukir, der seine ganze Zeit auf dem Schiff schlafend oder essend zubrachte.
Der Hauptmann selbst bedurfte auch bald der Dienste des Barbiers und lud ihn samt seinem Freund Abukir zum Abendessen ein. Abukir stellte sich seekrank und bat Abusir, ihm zu gestatten, von dem zu essen, was er gebracht. Er schnitt sich hierauf Stücke herunter, als wären es Steine aus einer
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