Tausend und eine Nacht, Band 4
Haus. Aber der Arme wird selten reich, und wenn er reich ist, so stirbt er. Bald nach seinem Tod entlehnte ich fünfhundert Dinare; ich wollte nämlich nach Mekka pilgern und von dort einige in Ägypten gangbare Waren mitbringen. Ich verlor aber auf dem Weg mein Geld und wagte es wegen meiner Schulden nicht, nach Ägypten zurückzukehren. Ich schloß mich daher der syrischen Karawane an bis Haleb (Aleppo), und von hier ging ich nach Bagdad, fragte nach dem Obersten der Wasserträger und erzählte ihm, was mir widerfahren. Der Oberste gab mir einen Schlauch und die übrigen Gerätschaften zum Wassertragen; aber ich ging vom Morgen bis Mittag in der Stadt umher und konnte für keinen Drachmen Wasser verkaufen. Der eine sagte: Ich trinke nicht, bis ich gegessen habe; der andere sagte. Gott helfe dir, und der dritte wieder etwas anderes. Gegen Mittag sah ich einen großen Zug von bewaffneten Leuten durch die Stadt reiten, dem viele Leute nachliefen; ich war auch begierig, ihn zu sehen, und als ich fragte, was er bedeute, sagte man mir: Der neue Polizeipräfekt Ahmed Denf reitet heute zum erstenmal mit seinen Leuten aus. Als der Zug an mir vorüber kam, hielt Ahmed Denf sein Pferd an und rief mir zu: Komm her, Wasserträger, ich habe Durst, gib mir zu trinken! Ich reichte ihm einen Becher voll Wasser hin; aber er goß ihn aus und forderte einen zweiten. Aber auch den zweiten stürzte er um auf den Boden, gerade wie du. Als ich ihm dann auf sein Begehren den dritten reichte, schlürfte er einige Tropfen hinunter und fragte mich, wo ich her sei. Ich antwortete: Aus Kahirah. Da rief er: Gott segne die Bewohner Ägyptens! Wie kamst du aber hierher? Da erzählte ich ihm die Ursache meiner Entfernung aus der Heimat und gab ihm zu verstehen, daß meine Lage nicht die allerbeste wäre. Er griff in seine Tasche, holte fünf Dinare heraus und schenkte sie mir. Dann sagte er zu seinen Leuten: Schenket zu Ehren Gottes diesem Mann etwas.
»Da schenkte mir ein jeder einen Dinar. Beim Wegreiten sagte mir Ahmed noch: Gib mir nur zu trinken, sooft du mir begegnest; du sollst jedesmal so viel von mir erhalten. In kurzer Zeit erhielt ich nun tausend Dinare teils von ihm selbst, teils von seinen Leuten und anderen, die mich als seinen Günstling beschenkten. Als ich diese Summe beisammen hatte, ging ich zu ihm, küßte ihm die Hand und sagte ihm: Es reist in diesen Tagen eine Karawane nach Kahirah, erlaube mir, mich ihr anzuschließen, um meine Familie wiederzusehen. Da schenkte er mir hundert Dinare und ein Maultier und sagte: Ich gebe dir auch einen Brief an Ali Quecksilber nach Kahirah mit und bitte dich, wenn du den Brief abgibst, ihn von seinem ehemaligen Meister zu grüßen. Sobald er den Brief geschrieben hatte, nahm ich Abschied von ihm und reiste hierher, bezahlte meine Schulden und wurde wieder Wasserträger; den Brief an Ali trage ich aber noch immer bei mir, denn ich weiß nicht, wo er wohnt, und niemand kann mir es sagen.« – »Freue dich, Wasserträger!« rief Ali; »ich bin Ali Quecksilber, gib mir den Brief!« Der Wasserträger zog den Brief aus seiner Tasche und überreichte ihn Ali. Als er ihn öffnete, fand er zuerst folgenden Vers darin:
»Ich schreibe dir, Zierde der Edlen, auf einem Blatt, das mit dem Wind zu dir gelangt; hätte ich Flügel, ich würde ihm selbst noch zuvorkommen, wie kann man aber mit abgestutzten Flügeln fliegen?«
Dann stand im Brief: »Den schönsten Gruß vom Polizeipräfekten Ahmed Denf an den Besten seiner Zöglinge, den Kahirahner Ali Quecksilber! Wisse, daß ich durch meine Gaunerstreiche in Kahirah sowohl als später hier so berühmt geworden bin, daß der Fürst der Gläubigen mich zum Polizeipräfekten von Bagdad ernannt hat. Ist die Freundschaft, welche uns verband, noch dieselbe in deinem Herzen, so komm hierher; es wird dir bald gelingen, dich hervorzutun und ein ansehnliches Amt an der Polizei zu erhalten. Das ist der Zweck dieses Schreibens. Friede sei mit dir!« Als Ali diesen Brief gelesen hatte, küßte er ihn, legte ihn unter seinen Turban und schenkte dem Wasserträger noch zehn Dinare. Dann ging er zu seinen Freunden, nahm Abschied von ihnen und versprach ihnen, daß er auch in der Ferne sich ihrer annehmen wollte; steckte eine kleine Büchse zu sich, welche ein sehr langes auseinandergelegtes Schwert enthielt, und suchte eine Karawane auf, welche nach Syrien reiste. Da hörte er, daß eine große Karawane, bei der sich auch der Oberste der Kaufleute Kahirahs befände,
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