Tausend und eine Nacht, Band 4
was sie den Leuten entwendet hat, dann wird der Kalif sie begnadigen; weigert sie sich aber, dies zu tun, so klage sie nur sich selbst an, wenn es ihr schlimm geht.« Dalilah kam herunter, knüpfte das Gnadentuch um den Hals und lud die entwendeten Kleider und Stoffe auf den Esel des Eseltreibers und das Pferd des Beduinen, nahm einen Beutel voll Gold in die Tasche und wollte Hasan folgen. Hasan untersuchte alles; da er aber noch die Kleider und Waffen Ahmeds und seiner Einundvierzig vermißte, fragte er sie, warum sie diese zurückgelassen. Sie antwortete: »Die hat meine Tochter ausgezogen, nicht ich.« Sie gingen nun miteinander zum Kalifen und legten alles vor ihn hin, was dem Juden, dem Obersten der Leibwache, dem Färber, dem Barbier, dem Beduinen, dem Eseltreiber und Hasan gehörte, und jeder nahm das Seinige zurück. Aber der Färber rief: »Wer ersetzt mir meine zugrunde gerichtete Färberei?« Auch der Eseltreiber schrie: »Wer bezahlt mir meine erlittenen Schmerzen und wer erstattet mir meine Zähne wieder?« Der Kalif lachte und ließ jedem hundert Dinare bezahlen. Dann fragte er Dalilah: »Warum hast du den Leuten so viel auf einmal entwendet?« – »Nicht aus Begierde«, antwortete Dalilah, »nach dem, was anderen gehört, sondern weil ich so viel von der Gewandtheit Ahmeds und Hasans hörte, daß ich zeigen wollte, daß ich ihnen in nichts nachstehe.« – »Und was wünschest du?« fragte der Kalif. »Mein Vater«, antwortete Dalilah, »war Richter in Bagdad; ich beschäftigte mich, Tauben zu Briefträgern zu erziehen, und mein Gatte war Polizeipräfekt. Ich möchte nun für mich den Gehalt meines Vaters und für meine Tochter den meines Gatten beziehen.« – »Und was wollt ihr dafür leisten?« fragte der Kalif. »Ich will die Oberaufseherin deines großen Chans sein.« Der Kalif hatte nämlich einen Chan für Kaufleute errichten lassen, welcher dreißig Wohnungen enthielt; vierzig Sklaven waren zur Bewachung desselben und zur Bedienung der darin wohnenden Kaufleute angestellt, und vierzig Hunde wurden unterhalten, um ihn vor jedem Einbruch bei Nacht zu schützen; auch war ein eigener Koch angestellt, um diese Sklaven und Hunde zu füttern. »Meiner Tochter aber, welche noch besser als ich die Leitung der Taubenpost versteht, räume das Schlößchen vor dem Chan ein, daß sie dort mit der Erziehung der Tauben sich beschäftige und die Versendung deiner geheimen Briefe besorge.« Der Kalif ernannte sogleich Dalilah zur Oberaufseherin des Chans und vertraute Seinab die Leitung der Taubenpost an. Das ist's, was wir von den Streichen der listigen Dalilah wissen. Nicht minder merkwürdig sind aber die damit zusammenhängenden
Streiche des Ägypters Ali.
Salih, der Polizeipräfekt von Kahirah, der vierzig Agenten zu seiner Verfügung hatte, gab sich alle mögliche Mühe, um seiner habhaft zu werden, aber vergebens; er erhielt deshalb auch den Beinamen Quecksilber, weil er, sooft man ihn zu haschen glaubte, wieder entrann. Eines Tages, als er sehr verstimmt war, ging er, um sich zu erheitern, in ein Weinhaus, ließ sich ein besonderes Zimmer geben und trank so viel Wein, bis er ihm in den Kopf stieg. Dann ging er wieder auf die Straße, da kam ein Mann vorüber, welcher Zibebenwasser ausrief. »Komm her«, rief ihm Ali zu, »und gib mir zu trinken.« Der Wasserträger füllte einen Becher voll und reichte ihn Ali; aber er goß ihn auf die Erde und forderte einen anderen Becher voll. Der Wasserträger füllte ihn wieder; aber Ali goß ihn wieder aus, ließ sich einen dritten Becher von reichen und schüttete auch diesen auf die Erde. Da sagte der Wasserträger: »Wenn du nicht trinken willst, so gehe deines Weges.« Ali ließ sich noch einmal den Becher füllen, nippte ein wenig daran und gab ihn dem Wasserträger mit einem goldenen Dinar zurück. Der Wasserträger sah ihn spottend und mit unzufriedener Miene an. Da griff Ali nach seinem Dolch und sagte ihm: »Wehe dir, was spottest du meiner? Du hast mir drei Becher voll Wasser gereicht, die höchstens drei Drachmen wert sind, und ich habe dir dafür einen Dinar geschenkt; was willst du mehr? Ist dir je ein freigebigerer Mensch begegnet, als ich bin?« – »Allerdings«, antwortete der Wasserträger; »ich kenne einen Mann, dessen Freigebigkeit nie übertroffen wird, solange Frauen Kinder gebären. Wisse nämlich, mein Vater war der Oberste der Wasserträger in Kahirah und hinterließ mir bei seinem Tod fünf Kamele, ein Maultier, einen Laden und ein
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