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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
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Scharfrichter, sie an den Haaren aufzuhängen. Der Scharfrichter tat, wie ihm befohlen wurde, und die zehn Soldaten blieben zu ihrer Bewachung zurück. Diese schliefen aber bald wieder ein, und glaubten es um so eher tun zu können, als Dalilah sich unmöglich allein losmachen konnte. Da kam ein Beduine vorübergeritten, welcher zu sich selbst sagte: »Wie freue ich mich, auch einmal nach Bagdad zu kommen, wie will ich mich an den Bagdader Honigkuchen laben!« Als Dalilah dies hörte, sagte sie: »Schütze mich, verehrter Scheich der Araber!« – »Du stehst unter Gottes Schutz«, antwortete der Beduine, »doch hast du gewiß ein Verbrechen begangen, weil du so dahängst.« – »Mein Vergehen ist sehr gering«, erwiderte Dalilah; »ich wollte bei einem Zuckerbäcker, der mein Feind ist, etwas kaufen, da spuckte ich aus und traf einen Honigkuchen, worauf er mich bei dem Richter verklagte. Der Richter sprach: Diese Frau muß hängend zehn Pfund Honigkuchen essen, und so lange hängen bleiben, bis sie sie verzehrt hat. Da ich aber keinen Honigkuchen hinunterbringen kann, so muß ich hier sterben, wenn du mir nicht hilfst.«
    Der Beduine sagte hierauf freudig zu Dalilah: »Gib mir den Kuchen her, ich will ihn gleich für dich essen.« – »Ja, das hilft nur«, versetzte Dalilah, »wenn du ihn hängend ißt, sonst wird mir meine Strafe nicht erlassen.« Der Beduine entkleidete sich hierauf und zog das Gewand der Alten an, und ließ sich an den Haaren von ihr aufhängen. Sie aber nahm schnell seine Kleider und seine Kopfbinde, setzte sich auf sein Pferd und sprengte davon zu ihrer Tochter Seinab. Als der Beduine eine Weile dahing, und die Alte mit dem Kuchen nicht kommen sah, rief er: »Wo bleibt denn der Kuchen?« Die Soldaten aber die aus ihrem Schlaf erwachten und den Beduinen am Baume sahen, fragten ihn: »Was tust du hier und wo ist die Alte hingekommen?« – »Ich habe die Alte losgebunden«, antwortete der Beduine, »weil ich statt ihrer den Honigkuchen essen will, den sie nicht ertragen kann.« Sie merkten aus dieser Antwort, daß die Alte sie abermals hintergangen. Nun waren sie unschlüssig darüber, ob sie den Beduinen länger hier bewachen oder die Flucht ergreifen sollten, als auf einmal der Gouverneur erschien und ihnen sagte: »Bindet Dalilah los und führet sie vor Gericht!« – »Hast du den Honigkuchen?« fragte ihn der Beduine. Als der Gouverneur den ihn Fragenden ansah, und statt einer alten Frau ein junges Männergesicht sah, sagte er zu seinen Soldaten: »Was habt ihr getan?« Sie erzählten ihm hierauf, wie sie eingeschlafen und erst beim Erwachen den Beduinen an Dalilahs Stelle fanden, und baten ihn um Gnade. »Ihr habt nichts zu befürchten«, sagte ihnen der Gouverneur; »dieser Gaunerin ist niemand gewachsen, bindet nur den armen Beduinen los.« Sobald dieser frei war, fiel er dem Gouverneur zu Füßen und sagte: »Gott beschütze um deinetwillen den Kalifen! Verschaffe mir doch mein Pferd und meine Kleider wieder, ich wußte ja nicht, daß diese Frau eine Spitzbübin war, sonst hätte ich sie nicht losgebunden.« Bald darauf kamen auch der Färber, der Jude, Hasan, der Barbier, der Eseltreiber und der Oberste der Leibwache herbei, um zu sehen, was nun mit Dalilah vorgehen werde, und als sie hörten, sie sei wieder entronnen, fielen sie über den Gouverneur her, forderten von ihm den Ersatz ihres Verlustes und verklagten ihn beim Kalifen. Sie gingen hierauf ins Schloß des Kalifen und ein jeder erzählte ihm, wie er von Dalilah bestohlen worden. Als sie vollendet hatten, sagte der Kalif zu dem Gouverneur: »Womit kannst du dich entschuldigen?« – »Damit«, antwortete er, »daß sie mich selbst um zwölfhundert Dinare gebracht hat, indem sie meiner Frau diese fünf freien Menschen als Sklaven verkaufte.« – »Du mußt mir diese Alte herbringen«, sagte der Kalif, »ich fordere sie von dir als Gouverneur.« – »Fordere lieber mein Leben«, versetzte der Gouverneur, »als diese Alte, die schon an einem Baum hing und sich wieder zu befreien wußte. Das ist ein Geschäft für Ahmed Denf oder Hasan Schuman, die ein Gehalt von zwölfhundert Dinaren jährlich beziehen und einundvierzig geheime Agenten zu ihrer Verfügung haben, deren jeder ein Monatsgehalt von hundert Dinaren bezieht.« – »Du hast recht«, sagte der Kalif, »es ist die Sache meiner Polizeipräfekten, ihrer habhaft zu werden«, und ließ sogleich Ahmed Denf rufen, und befahl ihm, die Alte zu bringen, welche alle diese

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