Tausend und eine Nacht, Band 4
den Brunnen, der sehr tief war. Als er drunten war, nahm sie seine Kleider, ging damit zu ihrer Mutter und erzählte ihr alles.
Ali mußte im Brunnen bleiben, bis der Emir Hasan, Eigentümer des Hauses, welcher den ganzen Vormittag im Divan des Kalifen zuzubringen pflegte, nach Hause kam. Er wollte vor dem Mittagsgebet sich waschen und befahl seinem Diener, die Waschkanne am Brunnen zu füllen. Dieser fand aber den Eimer so schwer, daß er ihn nicht heraufziehen konnte; er sah dann hinunter und erschrak so sehr, als er eine menschliche Gestalt darin erblickte, daß er Ali für einen Afrit (Gespenst) hielt, um so mehr, da er gewiß wußte, daß er beim Weggehen das Haustor geschlossen hatte und es nun offen stand, ohne daß etwas am Schloß verletzt war. Er lief daher erschrocken zu seinem Herrn und sagte ihm: »Mein Herr, ich habe einen Afrit im Brunnen gesehen!« – »So rufe vier Geistliche«, sagte Hasan, »daß sie den Koran vor ihm lesen, bis er sich entfernt.« Die Geistlichen lasen lange aus dem Koran vor dem Brunnen, es wollte aber kein Afrit heraussteigen. Endlich rief Hasan seinen Stallknecht und mehrere andere Diener herbei, um den Eimer heraufzuziehen, und ihr Erstaunen war nicht gering, als Ali halb nackt aus dem Eimer heraussprang. Die Geistlichen riefen, Gott lobend: »Hier ist der Afrit!« Hasan, der aber hinzutrat, sagte: »Hier ist ein Mensch wie ich und kein Afrit. Wie kamst du in diesen Brunnen?« fragte er dann Ali. »Bist du ein Dieb?« – »Nein«, antwortete Ali; »ich wollte im Tigris baden, da sank ich unter und die Strömung des Wassers trieb mich durch einen Kanal bis hierher.« – »Das kann nicht sein«, sagte Hasan; »gestehe die Wahrheit.« Da erzählte ihm denn Ali, auf welche Weise er in den Brunnen gekommen, und bat ihn um einige Kleider, damit er nicht nackt nach Hause gehen müsse. Als er dann in alten Kleidern vor Ahmed Denf erschien, sagte ihm dieser: »Habe ich dich nicht vor den Streichen der hiesigen Gauner gewarnt? Hier gibt es Frauen, welche die klügsten Männer zum besten haben.« Als All dann erzählte, auf welche Weise er seine Kleider verloren, sagte Ahmed. »Diesen Streich hat dir keine andere, als Seinab, die Tochter der Gaunerin Dalilah, Oberaufseherin des großen Chans, gespielt; doch hast du dich nicht zu schämen, denn es ging deinem Meister mit seinen Einundvierzig auch schon einmal so mit ihr.« – »Nun«, sagte Ali, »liebe ich sie noch mehr als zuvor, und werde nicht eher ruhen, bis sie meine Frau wird.« – »Das wird nicht so leicht sein«, versetzte Ahmed; »reiße dich los von ihr, solange du es noch kannst.«
Da sagte Hasan Schuman zu All: »Willst du zum Ziel gelangen, so folge meinem Rat. Du hast bis auf die Farbe die auffallendste Ähnlichkeit mit dem Koch aus dem Chan, den Dalilah mit ihrer Tochter bewohnt; nimm daher eine pechartige, schwarze Farbe und färbe dich damit; dann gehe auf den Markt, wo gewöhnlich Dalilahs Koch sein Fleisch und sein Gemüse einkauft; grüße ihn als deinen Landsmann und lade ihn zu einem Frühstück ein. Wenn er dir entgegnet, er habe soviel zu tun für die vierzig Sklaven und ebenso viele Hunde, für Dalilahs und Seinabs Tisch, so beschwöre ihn, wenigstens ein Glas Buza (eine Art Bier) und ein Stück Braten anzunehmen, das kein Schwarzer verschmäht. Du führst ihn dann in ein dazu gemietetes Zimmer, und hat er einmal ein Glas Buza getrunken, so wird es dir leicht sein, ihn zu einem zweiten und dritten zu bereden, Inzwischen wird er immer offener und gesprächiger, und du mußt ihn über alles ausfragen, was er täglich zu besorgen hat, über die Anzahl Schüsseln, die er kochen muß, sowohl für Dalilah und Seinab, als für die Sklaven und Hunde, über den Platz, wo er den Küchen- und Speisenmagazinschlüssel hinzulegen pflegt, kurz über alles, was du wissen mußt, um seine Stelle versehen zu können, ohne daß man den Wechsel bemerke. Hat er alles ausgeplaudert, so schenke ihm noch einmal ein und gieße einen Schlaftrunk in das Buza; sobald es wirkt, entkleidest du ihn, ziehst seine Kleider an, steckst sein Küchenmesser in den Gürtel, nimmst den Korb mit Gemüse und Fleisch auf den Kopf, gehst damit in die Küche des Chans und kochst alles, wie es der eigentliche Koch zu tun pflegt, du legst aber ein einschläferndes Pulver in die Speisen, und wenn Seinab schläft, so nimmst du deine und Ahmeds und seiner Leute Kleider aus ihrem Schlafzimmer, wo sie sie aufbewahrt, und gehst damit fort; und willst du
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