Tausend und eine Nacht, Band 4
Fenster und befestigte die Platte mit Kamrs Schmuck an demselben und rief: »O Gauner Ägyptens, ihr Spitzbuben Iraks und ihr Beutelschneider Persiens: Wer gewandt genug ist, diese Platte zu nehmen, der darf sie behalten, mit allem, was darin ist.« Hierauf sagte er einige Beschwörungsformeln her, und es stieg ein Tisch, mit den kostbarsten Speisen beladen, aus dem Boden herauf. Als er sich gesättigt hatte, rief er wieder einige heilige Namen an; der Tisch verschwand und ein anderer stieg an dessen Stelle hervor, auf welchem die besten Weine in den zierlichsten Trinkgefäßen standen. Da dachte Ali, welcher sich unbemerkt eingeschlichen hatte und hinter einer Tür verborgen war: Nun wird der Jude sich gewiß betrinken, dann kann ich um so leichter ihm beikommen. In der Tat trank Usra so viel Wein, daß er sich kaum mehr aufrecht halten konnte; als aber Ali mit gezogenem Schwert hinter der Tür hervorsprang, schrie er seine Hand an: »Bleibe regungslos, Hand!« Und siehe! Alis Hand blieb ausgestreckt, und er war nicht mehr imstande, sie zu bewegen. Dasselbe widerfuhr seiner linken Hand, als er mit dieser das Schwert aus seiner Rechten nehmen wollte, und als er auf den Juden zugehen wollte, wurde auch sein rechter Fuß lahm. Usra ließ ihn eine Weile so mit ausgestreckten Armen auf dem linken Fuße stehen; dann sagte, er ihm: »Wer bist du und warum kamst du hierher?« – »Ich bin Ali Quecksilber aus Kahirah«. antwortete er; »einer der Jünger Ahmed Denfs; ich habe um Seinab, Tochter der Gaunerin Dalilah, geworben, und man hat von mir das Kleid und den Schmuck deiner Tochter Kamr als Hochzeitsgabe verlangt; willst du daher in Ruhe vor mir bleiben, so gib mir sie her.« –»Ich will dir dein Leben schenken«, sagte Usra; »geh damit weg und gib dein Vorhaben auf, sonst geht es dir nicht besser, als vielen anderen vor dir; du verdankst übrigens die Schonung, die ich gegen dich habe, nur dem großen Glücksstern, den ich über dir leuchten sehe.« – »Ich werde mein Vorhaben nie aufgeben«, sagte Ali, durch diese Worte des Juden ermutigt; »verfahre mit mir, wie du willst.« Da füllte Usra eine Tasse mit Wasser, sagte einige heilige Namen darüber her, bespritzte Ali damit und schrie ihn an: »Verlasse deine Menschengestalt und werde ein Esel!« Kaum waren diese Worte aus Usras Mund, da stand Ali als ein Esel da, mit Hufen und langen Ohren, und brüllte wie ein wahrer Esel.
Zwar hörte und verstand Ali noch alles wie zuvor, aber sprechen konnte er nicht mehr. Usra zeichnete nun mit dem Fuß einen Kreis um ihn, und sogleich erhob sich eine Mauer um ihn herum, die ihm das Entweichen unmöglich machte. Dann setzte sich Usra wieder zu seinem Wein, trank noch einige Becher voll und schlief ein. Am folgenden Morgen sagte er zu dem in einen Esel verwandelten Ali: »Ich will einmal heute mein Maultier schonen und dich satteln, um nach der Stadt zu reiten.« Er schloß dann Kamrs Kleid und Schmuck in ein Kabinett, holte den Quersack und legte ihn auf Ali; hierauf bestieg er ihn selbst, und sowie er aus dem Schloß war, verschwand auch das ganze Schloß. Vor seinem Laden stieg er ab, nahm den Quersack herunter und band Ali an. Da kam ein verunglückter Kaufmann und bot dem Juden die goldenen Armbänder seiner Frau zum Verkauf an. »Was willst du mit dem Geld anfangen?« fragte ihn der Jude. »Ich will einen Esel dafür kaufen«, antwortete der Kaufmann, »und mich fortan als Wasserträger zu ernähren suchen.« – »Ich verkaufe dir meinen Esel«, versetzte der Jude. Der Kaufmann besah ihn, und da er ein gutes Aussehen hatte, begnügte er sich mit wenigem Geld, das ihm der Jude herausgab. Da dachte Ali: Wenn der Wasserträger mit einem hölzernen Sattel und einem Wasserschlauch mich belädt und zehnmal durch die Stadt führt, so ist es um mich geschehen. Als daher die Frau des Wasserträgers ihm Futter brachte, fiel er sie an und küßte und umarmte sie, so daß sie um Hilfe schreien mußte, und mit Mühe gelang es den herbeieilenden Nachbarn, ihn von ihr loszureißen. Sobald ihr Gatte nach Hause kam, erzählte sie ihm, was ihr mit dem Esel begegnet war, und sagte: »Entweder du verkaufst diesen Esel wieder, oder gibst mir einen Scheidebrief, denn das ist ein Teufel in Eselsgestalt; wer weiß, was geschehen wäre ohne das schnelle Herbeieilen unserer Nachbarn.« Der Wasserträger nahm den Esel, ging wieder zum Juden, sagte ihm, er könne den Esel nicht behalten, weil seine Frau sich vor ihm fürchte, und ließ sich
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