Tausend und eine Nacht, Band 4
bis endlich dieser Jüngling sich hier meldete.« Der Jude bewillkommte Djanschah und hieß ihn sitzen; nachdem er eine Weile neben ihm saß, führte er ihn in das Wohnzimmer und gab einem Sklaven Befehl, zu essen zu bringen. Sie aßen miteinander, wuschen sich, dann tranken sie, und als sie getrunken hatten, holte der Jude einen Beutel mit tausend Dinaren und führte ein wunderschönes Mädchen an der Hand und sagte zu Djanschah: »Hier ist der versprochene Lohn für die Arbeit, die du zu verrichten hast; morgen früh sollst du ans Werk gehen.« Hierauf verließ er ihn.
Djanschah legte das Geld beiseite und brachte die Nacht auf dem Diwan neben dem Mädchen zu. Am folgenden Morgen kam der Jude zu ihm, führte ihn ins Bad und befahl den Sklaven, ihm ein seidenes Kleid nachzubringen. Als Djanschah aus dem Bad kam, überreichten ihm die Sklaven das seidene Kleid und führten ihn wieder nach Hause. Der Jude ließ dann allerlei Musiker und Getränke holen; man spielte und trank und scherzte, bis die halbe Nacht vorüber war; da zog sich der Jude in seinen Harem zurück, und Djanschah schlief wieder an der Seite seines Mädchens. Sobald aber der Morgenstern leuchtete, kam der Jude zu Djanschah und sagte ihm: »Ich wünsche nun, daß du mir meine Arbeit verrichtest.« Djanschah erwiderte: »Ich bin bereit zu allem, was du befiehlst.« Da ließ der Jude von seinen Sklaven zwei Maulesel bringen, hieß Djanschah den einen besteigen und ritt selbst auf dem zweiten. Nachdem sie von morgens bis Mittag auf dem Wege waren, kamen sie an einen unermeßlich hohen Berg. Der Jude stieg hier ab und befahl auch Djanschah abzusteigen. Er zog dann ein Messer und ein Seil aus der Tasche und sagte zu Djanschah: »Schlachte deinen Maulesel!« Djanschah schürzte sich auf, warf dem Maulesel den Strick um die Füße und stürzte ihn zu Boden. Dann sagte der Jude zu Djanschah: »Spalte dem Maulesel den Leib und schlüpfe hinein!« Als Djanschah hineinschlüpfte, nähte der Jude den Leib wieder zu, ging fort und verbarg sich im Gebirge.
Nach einer Weile kam ein großer Vogel herangeflogen, ergriff den Maulesel und trug ihn auf den Berg, um ihn zu essen. Sobald aber der Leib aufgepickt war, kroch Djanschah heraus und stellte sich aufrecht; da erschrak der Vogel vor ihm und flog davon. Djanschah sah sich rechts und links um, fand aber niemanden. Bald entdeckte er viele Totengebeine und Leichen in der Sonne verdorrt und schrie: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Er blickte dann vom Berg herunter und sah den Juden unten stehen und hörte, wie er ihm zurief, er möchte ihm von den Steinen herunterwerfen, die auf dem Berg liegen, er wolle ihm dann den Weg angeben, auf welchem er wieder herunterkommen könne. Djanschah warf dem Juden etwa zweihundert Steine vom Berge herunter zu; es waren nichts als Rubine, Smaragde und andere kostbare Edelsteine. Als er aber dann dem Juden sagte: »Zeige mir nun den Weg, der mich herunterführen soll, ich werfe dir dann noch einmal so viele Steine zu!« gab ihm der Jude keine Antwort, sondern wickelte seine Edelsteine ein, lud sie auf den Maulesel, bestieg ihn selbst und ritt davon. Djanschah blieb nun allein auf dem Berg sitzen und weinte und schrie um Hilfe drei Tage lang. Am vierten Tag machte er sich auf und ging zwei Monate lang auf dem Berg umher, von rohen Pflanzen sich nährend. Endlich kam er an den Abhang des Berges; da sah er ein Tal vor sich mit vielen Bäumen und Bächen. Er kam bald an einen Pfad, neben welchem sich ein Bach ins Tal ergoß und stieg da hinunter. Nachdem er eine Weile im Tal umherging und nach allen Seiten sich umsah, erblickte er ein sehr hohes Schloß; er ging darauf zu und sah vor dem Tor einen alten Mann mit ehrwürdigem, strahlendem Gesicht, der in der rechten Hand ein Beil von Rubin hielt. Djanschah näherte sich ihm und grüßte ihn; der Alte erwiderte seinen Gruß, bewillkommte ihn und hieß ihn sitzen. Als Djanschah sich vor das Tor des Schlosses neben den Alten setzte, fragte ihn dieser: »Wie kommst du in dieses Land, das vor dir noch kein Sohn Adams betreten, und wo willst du hin?« Djanschah erinnerte sich an alle Mühseligkeiten und Leiden, die ihm auf der Reise widerfahren, und weinte so heftig, daß er nicht antworten konnte. Da sagte ihm der Alte: »Laß das Weinen, mein Sohn!« und holte ihm etwas zu essen. Djanschah aß, bis er satt war, und dankte Gott. Als er gegessen hatte, bat ihn der Alte wieder, ihm zu erzählen, wie er
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