Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
ihm Erkundigungen ein; dieser erzählte seinem Gast, daß das Reich sehr durch die Verfolgungen beunruhigt würde, welche der Sultan gegen die Zauberer anstellte. Zu gleicher Zeit entdeckte Mahmud, daß seine Geliebte eine der Sklavinnen des Veziers sei, und baute darauf seinen Plan.
Mit allen einem Räuber nötigen Werkzeuge versehen, schlich er sich in einer Nacht zum Palast des Veziers, zu welchem er vermittelst seines Seiles sehr leicht Eingang fand. Über das flache Dach fand er bald den Weg in einen Hof, von welchem aus er ein hell erleuchtetes Gemach erblickte. Er wandte sich dahin und trat in ein Zimmer; hier sah er ein Mädchen, schön wie die aufgehende Sonne, schlafend auf einem elfenbeinernen, mit Gold und Edelsteinen reich verzierten Ruhebett. Um das Bett her standen Lampen, welche nach allen Seiten hin das glänzendste Licht verbreiteten. Indem er sich ihr näherte, erkannte er sogleich, daß es seine Geliebte sei.
Darauf zog er einen Dolch aus seinem Gürtel und machte ihr an der Hand eine leichte Wunde, so daß sie erwachte. Das Mädchen war ganz außer sich vor Furcht, als sie einen Fremden mit gezücktem Dolch erblickte. Sie hielt ihn für einen Räuber, bat ihn dringend, ihr das Leben zu lassen, und bot ihm ihr Schmuckkästchen, das neben ihr stand, mit allem was darin war, an. Mahmud nahm das Kästchen und verließ eiligst den Palast des Veziers. Am folgenden Morgen verkleidete er sich als Sofi, verbarg das geraubte Kästchen unter seinem Gewande und trat vor den Kaiser von Indien. »Mächtigster Herrscher der Erde«, redete er zu ihm, »ich bin ein Geistlicher aus Chorasan; der Ruf deiner hohen Tugenden ist bis zu mir gedrungen, und ich habe mich aufgemacht nach deiner herrlichen Hauptstadt, um unter dem Zepter eines so gerechten Fürsten zu leben. Als ich ans Tor kam, fand ich es verschlossen, und war so gezwungen, die Nacht vor der Stadt zuzubringen. Ich legte mich auf den Boden zum Schlafen nieder, aber bald sah ich vier Weiber, die eine von ihnen ritt auf einer Hyäne, die zweite auf einem Widder, die dritte auf einer schwarzen Hündin und die vierte auf einem Leoparden. Ich sah gar bald, daß es Zauberinnen seien; eine von ihnen nahte sich mir und trat mich mit Füßen und schlug mich mit einem Fuchsschwanz, dessen Streiche furchtbar schmerzten. Ich rief laut mehrere Male den Namen des höchsten Gottes und mit einem Messer verwundete ich sie an der Hand, worauf sie mich losließ; doch fliehend ließ sie diese kostbare Schatulle in meinen Händen, für mich hat sie freilich keinen Wert, weil ich auf alle Freuden der Welt verzichtet habe.« Nach diesen Worten übergab Mahmud dem Kaiser von Indien das Kästchen und ging hinweg. Der Kaiser erkannte es alsbald, denn er hatte erst vor wenigen Tagen seinem Großvezier ein Geschenk damit gemacht, dieser es aber wiederum seiner Lieblingssklavin gegeben.
Sie wurde nach dem Palast geholt, und als man an ihrer Hand die Wunde entdeckte, von der der Sofi gesprochen hatte, zweifelte man nicht an der Wahrheit seiner Aussage. Hierauf ward sie als Zauberin verurteilt, in einer Grube, deren steile Wände ihre Flucht unmöglich machten, zu verhungern. Kaum hatte Mahmud den glücklichen Erfolg seiner List vernommen, so eilte er nach der Grube, in welcher seine Geliebte gefangen saß, und durch Bestechung und Überredung der Wächter, welchen er sein merkwürdiges Abenteuer erzählte, gelang es ihm, sie zu befreien; doch nahmen sie ihm vorher das Versprechen ab, auf der Stelle mit ihr aus dem Lande zu fliehen. Das tat er und erfreute sich so des Besitzes seiner Geliebten.
Als der Vezier diese Geschichten angehört hatte, sprach er: »O König, was hat mir denn der Arzt Böses getan, daß ich ihn zu töten Lust haben sollte? Ich gebe dir den Rat nur aus Liebe zu dir, aus Besorgnis für dich; wenn ich nicht die Wahrheit sage, so möge es mir gehen, wie jenem Vezier, der gegen einen König einmal eine arge List gebrauchen wollte.« »Wie war dies?« fragte der König der Griechen. Da begann der Vezier zu erzählen:
»O glückseliger König, es war einst ein König, der einen Sohn hatte, welcher ein leidenschaftlicher Jäger war, deswegen der König einem Vezier befohlen hatte, seinen Sohn überall zu begleiten, wohin er auch gehen möge. Eines Tages war der Vezier mit dem Prinzen auf der Jagd. Als sie in der Wüste waren, sah der Vezier ein wildes Tier und befahl dem Prinzen, ihm nachzujagen: der Prinz jagte ihm so lange nach, bis er die Spuren seines Weges
Weitere Kostenlose Bücher