Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Pulver hinein und sprach: »O König, nimm dieses Buch, öffne es aber nicht, bis mir der Kopf abgeschlagen ist. Wenn dies geschehen, so lasse ihn in die Schüssel auf das Pulver setzen; das Blut wird dann sogleich gestillt werden; öffne hierauf das Buch und frage meinen Kopf, er wird dir sicher antworten. Es gibt keinen Schutz und keine Kraft, außer bei dem erhabenen Gott: doch lässest du mich leben, so wird auch Gott dich erhalten.« Aber der König sagte: »Ich werde dich um so gewisser töten lassen, damit ich sehe, wie dein Kopf mit mir sprechen wird.« Der König ließ ihm hierauf den Kopf abschlagen und nahm ihm das Buch ab. Als der Scharfrichter damit fertig war, ward der Kopf in die Schüssel auf das Pulver gedrückt, und das Blut hörte sogleich auf zu fließen. Der Arzt Duban öffnete dann die Augen und sagte: »Nun kannst du das Buch öffnen, o König!«
Der König tat es und schlug ein Blatt nach dem anderen um; da die Blätter aber aneinander klebten, legte er den Finger an die Lippen und benetzte ihn; so wendete er bis zum siebenten Blatte herum, fand aber nichts darin geschrieben. Darauf sagte er: »O Arzt, ich finde ja nichts in diesem Buch.« Der Kopf des Arztes antwortete: »Schlage nur weiter um!« Der König schlug immer weiter um und benetzte den Finger dabei, bis er die Arznei, mit der das Buch vergiftet war, abgerieben hatte. Auf einmal fing der König an zu wanken und Schwindel zu fühlen.
Als der Kopf des Arztes sah, daß der König der Griechen nicht mehr aufrecht stehen konnte, dachte er sich, daß er das Gift eingesogen, und sprach folgende Verse:
»Sie haben ein strenges Gericht gehalten, und noch ein wenig, so war es, als hätten sie kein Urteil gefällt. Wären sie gerecht gewesen, so wäre auch ihnen Gerechtigkeit widerfahren, ihre Gewalttat wurde ihnen aber vom Schicksal mit Elend und Tod vergolten, und nachher sagte ihnen eine bildliche Sprache: dies ist dafür und man kann dem Schicksal keine Vorwürfe machen.«
Als der Kopf des Arztes so gesprochen, fiel der König tot hin, und auch der Kopf des Arztes blieb leblos.
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1 Die Araber glauben, dieses dämonische Tier (arabisch ghula genannt) könne, um die Menschen irrezuführen, jede Gestalt annehmen.
2 Durch die Last der erhaltenen Geschenke nämlich.
Fortsetzung der Geschichte des Fischers mit dem Geiste
D er Fischer sagte hierauf zu dem Geiste: »Hätte der König den Arzt leben lassen, so hätte Gott auch ihn erhalten, weil er ihn aber umbringen ließ, hat Gott auch ihn getötet; ebenso du, o Geist, weil du mich durchaus töten wolltest, werde ich dich wieder in diese Flasche sperren und in den Abgrund des Meeres werfen.« Der Geist schrie: »O Fischer, tu dies nicht! Befreie mich und bestrafe mich nicht. Der Menschen Handlungen müssen immer edler sein, als die eines Geistes, habe ich auch schlecht gehandelt, so tu du doch Gutes! Denn das Sprichwort sagt: Vergelte Böses mit Gutem, verfahre nicht wie Imama mit Ateka verfuhr.« »Was haben Imama und Ateka getan?« »Jetzt«, sagte der Geist, »ist nicht Zeit, davon zu reden, so lang ich in diesem engen Gefängnis bin; wenn du mich frei gelassen, will ich dir’s erzählen.« Aber der Fischer antwortete: »Ich lasse dich nicht heraus, ich werfe dich ins Meer, denn ich habe dich lange gebeten und doch wolltest du mich schuldlos umbringen, obschon ich dich aus deinem Gefängnis befreite. Da du dies getan, weiß ich, daß du von schlechter Natur bist und von gemeinem Stoffe, du vergiltst Gutes mit Bösem; ich werde daher, wenn ich dich ins Meer geworfen habe, hier ein Haus bauen und darauf schreiben: Hier haust ein Geist; wer ihn heraufzieht, wird von ihm getötet; dann kannst du lange unten bleiben, du verächtlichster aller Geister!«
Da sprach der Geist: »Laß mich diesmal wieder frei; ich verspreche, dir gar nichts zuleid zu tun, vielmehr dir nützlich zu sein. Du sollst reich werden.« Als er darauf einen Eid geleistet und bei jenem erhabenen Namen geschworen, der auf Salomos Siegel stand, da öffnete der Fischer die Flasche, aus der wieder Rauch in die Höhe stieg, und es bildete sich ein Geist daraus; er zertrat hierauf die Flasche mit den Füßen und flog gegen das Meer hin. Als der Fischer dies sah, fürchtete er etwas Schlimmes; er verunreinigte seine Kleider und sah den Tod schon nahe, denn er hielt dieses Zertreten für ein böses Zeichen. Dann faßte er aber wieder Mut und sprach: »O Geist! du hast einen Eid geschworen, darfst also nicht treulos gegen
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