Taxi 503 (German Edition)
Suppe.
„Frau Bartholdy, Marc hat uns noch nicht viel über Sie verraten. Woher kommen Sie?“, lächelte sein Vater ihr zu.
„Ich… ich bin hier geboren worden, dies ist meine Heimatstadt“, antwortete Abby wahrheitsgemäß.
„Und wohnen Sie auch noch hier?“, hakte Ingrid Warnke nach.
Marc warf ihr einen giftigen Blick zu, das wusste sie doch bereits alles.
„Ja“, nickte Abby, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sollte sie wirklich preisgeben, wo sie wohnte. Doch was blieb ihr anderes übrig?
„Ach ja? Wo denn?“, Marcs Mutter ließ sie nicht aus den Augen, Abby konnte dem Blick nicht standhalten. „Ich… ich wohne in der Siemensstraße“, sagte sie leise.
„Die kenn’ ich gar nicht. Wo ist denn das?“, fragte Manfred Warnke.
„Im… im Viertel am Wackerberg“, beichtete Abby heiser.
„Ist das von so großem Interesse für euch?“, zischte Marc seinen Eltern zu.
„Am Wackerberg. Nun ja, das ist ja eine sehr ‚lebhafte’ Ecke“, sein Vater setzte das Wort mit den Fingern in Anführungszeichen.
„Ja“, Abby wagte es gar nicht, zu seinen Eltern zu schauen, sie schämte sich in Grund und Boden.
„Das soll vorkommen“, mischte sich Anni jetzt ein. „Aber eingebrochen wird hier ja auch zur Genüge.“
„Ja, wird es. Leider. Und meist sind die Diebe Leute, die am Wackerberg wohnen“, lächelte seine Mutter zuckersüß.
„Es gibt überall solche und solche“, sagte Marc warnend.
„Und Abby ist ja wohl das beste Beispiel dafür, dass es auch ganz normale, anständige Leute dort gibt“, fügte Anni an.
„Natürlich“, lachte Marcs Vater, den höhnischen Unterton konnte man nicht überhören, dennoch hoffte Marc, dass es seiner Süßen nicht aufgefallen war.
Abby zwang sich, wieder zu seinen Eltern zu schauen. Sie lächelten, doch sie konnte spüren, dass es nicht von Herzen kam.
Aber es waren seine Eltern, also versuchte Abby, sich nichts anmerken zu lassen und nicht zu nervös zu wirken. Und sie wollte doch unbedingt einen guten Eindruck machen – aber ob das noch gelang, wo sie doch jetzt wussten, woher sie stammte?
„Was machen Sie denn beruflich?“, ging das Verhör dann, pünktlich zum Hauptgang, weiter.
„Ich bin Taxifahrerin“, antwortete Abby freundlich, sie räusperte schnell den Frosch im Hals weg.
„Taxifahrerin“, Ingrid musterte Abby ernst. „Machen Sie das als Nebenjob zum Studium?“
Marc warf Anni einen entsetzten Blick zu. Sie hatte doch mit seinen Eltern gesprochen – war da etwas schiefgelaufen oder war das tatsächlich nur Boshaftigkeit, was sie hier abzogen? Er hatte jedenfalls große Lust, wieder zu verschwinden.
„Nein. Das ist mein Job“, antwortete Abby ehrlich.
„Wie wird man denn Taxifahrerin? Was haben Sie denn gelernt?“, sein Vater war unerbittlich.
„Ich… also… ich habe keine Berufsausbildung“, Abby legte Messer und Gabel zur Seite, sie brachte einfach keinen Bissen mehr hinunter, ihr Hals war wie zugeschnürt.
„Soviel ich weiß, macht man einen Taxischein und dann darf man hinters Steuer, Manfred“, in Annis Stimme schwang deutlich die unausgesprochene Warnung mit. „Weißt du, Abby, mein Sohn ist immer so schrecklich neugierig“, sie griff nach Abbys Hand und streichelte leicht darüber.
Abby versuchte zu lächeln, doch sie merkte selbst, dass ihr das nicht überzeugend gelang.
„Aber was haben Sie denn nach der Schule gemacht, Frau Bartholdy?“, Ingrid hatte einen unverbindlichen Plauderton aufgelegt, doch der täuschte nicht darüber hinweg, dass sie nicht besonders viel von Abby hielt.
Marc konnte es kaum fassen, es war klar, worauf das hier alles hinauslaufen würde. Sie wollten Abby bloßstellen, nur mit sehr viel Mühe konnte Marc seine Wut noch zurückhalten.
„Einen Schulabschluss werden Sie doch wohl haben, oder?“
„Ja, natürlich“, nickte Abby. „Ich habe nach der Schule gejobbt und dann mit einundzwanzig den Taxischein gemacht.“
„Na ja, es hat ja auch jeder andere Ansprüche“, bemerkte seine Mutter spöttisch. „Da haben Sie ja mit Marc einen guten Fang gemacht, wie man so schön sagt.“
„Nein, den guten Fang habe ich gemacht“, Marc lächelte seine Mutter betont liebenswürdig an und legte einen Arm um Abbys Schulter. „Denn ich habe Abby gefunden.“
„Du bist wirklich ein exzellenter Schauspieler“, lachte sein Vater.
„Oh, das braucht Marc nicht zu schauspielern, das sticht einem eigentlich sofort ins Auge, wenn man die beiden sieht“, grinste Anni.
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