Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
Operandi nach zu urteilen, ist das sein dritter Mord.” Sie dachte einen Moment nach. “Ich frage mich, was er mit ihren Händen macht. Warum lässt er an jedem Fundort eine zurück?”
Sam grinste. “Vielleicht ein Acrotomophiler. Du weißt schon, weniger ist mehr.”
Taylor runzelte die Stirn. “Was soll das denn sein? Es klingt auf jeden Fall nicht gut.”
“Das bedeutet, dass er sich sexuell zu Amputierten hingezogen fühlt.”
“Igitt, Sam, das ist wirklich …”
“Entspann dich, war nur ein Scherz. Die Hand, die gestern gefunden worden ist, weist nicht den Grad an Verwesung auf, den ich bei einer vor einem Monat abgetrennten Hand erwarten würde. Also lautet meine Theorie, dass sie in der Zwischenzeit tiefgefroren gelagert worden ist. Die entsprechenden Tests habe ich auch angeordnet. Los, komm, lass uns hier verschwinden und was essen gehen. Ich bin am verhungern.”
Sie fuhren zu dem kleinen Frühstücksdiner quatschen, brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand und vermieden es sorgfältig, über den Fall zu sprechen. Sam war schwanger, überglücklich darüber und voller Vorfreude auf die Ankunft ihres ersten Kindes. In letzter Zeit hatten alle ihre gemeinsamen Unterhaltungen irgendwann den Weg zu dem kleinen Wesen in Sams Bauch gefunden. Nachdem sie die x-te Runde an Babynamen verworfen hatten, setzte Taylor Sam an der Gerichtsmedizin ab und fuhr weiter in ihr Büro.
Lincoln hatte alle Informationen über die vorherigen Morde zusammengestellt, darunter auch einiges, das von Baldwin ergänzt worden war, denn die Tatortfotos waren Kopien der Originale und trugen den FBI-Stempel in der rechten unteren Ecke. Die Akten lagen auf ihrem Tisch, und sie stürzte sich gleich hinein.
Sie erfuhr wenig Neues zu dem, was Baldwin ihr schon erzählt hatte. Der erste Mord, Susan Palmer, war am 27. April verübt worden. Sie wurde als vermisst gemeldet, und als die Polizei an ihrem Haus ankam, fand sie beinahe die exakt gleiche Szenerie vor, die Taylor in Shauna Davidsons Apartment gesehen hatte. Es gab keine Anzeichen von gewaltsamem Eindringen, und die Tat hatte sich im Schlafzimmer abgespielt. Taylor schaute auf das Bett, die Laken abgezogen, Blutflecken auf der Matratze. Das Blut stimmte zu hundert Prozent mit Susan Palmer überein, und am Bettrahmen und an den Blutflecken waren Fasern von einem industriell hergestellten Seil gefunden worden. Die Fotos vom Fundort von Susan Palmers Leiche sahen auch verstörend vertraut aus. Langes Sumpfgras verdeckte auf den ersten Fotos ihren Körper. Die Nahaufnahmen ihrer handlosen Arme wurden von Vergrößerungen der entsprechenden Wunden begleitet. Abwesend bemerkte Taylor, dass der Fotograf mit der Arbeit für die Polizei sein Leben vergeudete. Er war sehr gut darin, die Szenen zum Leben zu erwecken.
Eine Unregelmäßigkeit auf einem der Fotos erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie holte eine Lupe heraus und betrachtete es genauer. Dann blätterte sie noch einmal durch die Papiere und verglich die Nummerntafel auf dem Foto mit der im Bericht. Nummer 38, unidentifiziertes Erbrochenes. Hm. Sie merkte sich diese Kleinigkeit und fuhr fort.
Sie öffnete die nächste Akte und wurde sofort von dem Foto des Opfers in den Bann gezogen. Jeanette Lernier hatte ein offenes Lächeln und fröhlich blickende Augen gehabt. Sie sah aus wie jemand, mit dem Taylor gerne einen nicht ganz astreinen Witz geteilt hätte. Ihre Lebhaftigkeit schien durch das Foto hindurchzustrahlen. Endlich gelang es Taylor, die Trance zu brechen, und sie las den Rest des Berichts. Beinahe schon betäubend ähnlich, bis hinunter zu den Nahaufnahmen der blutigen Armstümpfe.
Sie las die Zeugenaussagen. Jeanettes Familie und Freund hatten das Mädchen angebetet, so viel war sicher. Der Familie nicht ganz so nahestehende Personen hatten einige abschätzige Kommentare abgegeben, in denen sie dem Mädchen einen unsteten Lebenswandel vorwarfen. Eine Zeugin erwähnte, dass sie glaubte, Jeannette hätte eine Affäre mit einem Kollegen, aber weitere Recherchen zu diesem Thema waren nicht erfolgt. Taylor machte sich eine mentale Notiz, Baldwin zu fragen, wieso nicht.
Nachdem sie die Akten durchgesehen hatte, machte sie sich daran, den Papierkram für den Fall Jessica Ann Porter aufzusetzen. Sie legte ein umfassendes Mordbuch an, in das die Berichte aller Officer, die am Tatort gewesen waren, Eingang fanden. Auch wenn das FBI sich vordrängen und ihr den Fall wegnehmen sollte, wollte sie, dass ihre Sorgfalt
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